Essstörungen bei Kindern – wenn Nahrung zum Feind wird
Das Thema Essen ist in vielen Familien heute ein ganz heikles – nicht nur fehlt oft die Zeit für gemeinsame Mahlzeiten, die gerade bei Kindern so wichtig für die Entwicklung sind. In vielen Fällen entwickeln die Kinder und Jugendlichen besonders durch die Eindrücke aus Sozialen Medien und der Modewelt Auffälligkeiten oder Essprobleme durch verzerrte Schlankheitsideale unserer Gesellschaft. Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen sind zum Problem geworden, das vor allem bei Kindern weitreichende Folgen bis in das Erwachsenenalter hinein haben kann. Wir zeigen Eltern, welche Anzeichen es für eine Essstörung bei Kindern gibt. Außerdem erfahren Sie hier, welche unterschiedlichen Essstörungen es überhaupt gibt und wie Sie sich im Zweifelsfall Hilfe holen können.
Gestörtes Essverhalten bei Kindern und Jugendlichen in Zahlen
Eine Untersuchung des Robert-Koch-Instituts1 hat ergeben, dass rund ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen im Alter von 11 bis 17 Jahren ein gestörtes Verhältnis zum Essen aufweisen. Mädchen sind dabei doppelt so oft betroffen wie Jungen. Gerade während der Pubertät nimmt das Risiko für Kinder und insbesondere Mädchen an einer Essstörung zu erkranken deutlich zu. Bei Jungen sinkt die Gefahr.
Kinder mit Essstörungen empfinden sich bei normalem Körpergewicht zu dick. Sie tendieren zu gravierenden psychischen Auffälligkeiten, zu Angstzuständen und weiteren psychischen Erkrankungen bei Kindern . Eine Entwicklung, die eindeutig besorgniserregend ist.
Essstörungen bei Kindern: Die Krankheitsformen
Experten2 benennen drei hauptsächliche Erkrankungsformen der Essstörung bei Kindern mit unterschiedlichen Störungsbildern:
- Binge-Eating
- Bulimie
- Magersucht
Die Binge-Eating Störung, bei der Betroffene immer wiederkehrende Essanfälle mit Kontrollverlust erleiden, tritt dabei am Häufigsten auf. Von 1000 Mädchen und jungen Frauen erkranken durchschnittlich 28 daran. An Bulimie, Bulimia nervosa oder Ess-Brech-Störung, erkranken durchschnittlich 19 von 1000 Mädchen. An Magersucht, dem ständigen Gefühl zu dick zu sein und dadurch keinerlei Nahrung mehr zu sich zu nehmen, erkranken im Schnitt 14 von 1000 Mädchen und jungen Frauen. Auffällig ist auch hier, dass Jungen und junge Männer deutlich weniger betroffen sind.
Weitere Essstörungen
Zu den drei Hauptessstörungen, die bei Kindern auftreten können, gesellen sich noch unterschiedliche Mischformen. Dabei kann keine exakte Diagnose gestellt werden. Außerdem leiden manche Kinder an:
- Selektiven oder restriktiven Essstörungen3, bei der die Lebensmittelauswahl, die Kinder zu sich nehmen extrem eingeschränkt wird. Dabei kommt es zu Nährstoffmängeln, die Gesundheitsprobleme auf den Plan rufen können.
- Esssucht bei Kindern: Die Esssucht ist das Gegenteil der Magersucht und zeichnet sich durch dauerhafte Fressattacken und erhöhtes Gewicht aus.
Die Folgen von Essstörungen bei Kindern
Besonders wenn Essstörungen bei Kindern über einen langen Zeitraum auftreten kann das weitreichende Folgen für Körper und Geist der Kleinen haben. So kann beispielsweise durch eine chronische Unterernährung die Entwicklung und das Wachstum ausgebremst werden. Das Herz und die inneren Organe werden geschädigt. Zudem fehlt dem Körper die nötige Energie, um das Gehirn ausreichend zu versorgen. Die Denk- und Konzentrationsfähigkeit nimmt rapide ab.
Nicht nur die physischen Folgen können bis ins Erwachsenenalter hinein prägend sein. Insbesondere unter den psychischen Folgen einer Magersucht oder Bulimie leiden betroffene Kinder oft ihr ganzes Leben. Nicht selten sind:
- Mangelndes Selbstwertgefühl bis hin zu Selbsttötungsgedanken und
- Ängsten, die in tiefgreifende Traumata oder langfristige Angststörungen übergehen können.
- Depressionen, die ein Leben lang anhalten können.
Ursachen für Essstörungen bei Kindern
Den meisten Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen liegt die Angst zugrunde, zu dick zu sein und dadurch nicht mehr akzeptiert zu werden. Die Ursachen für solch fehlgeleitetes Essverhalten bei Kindern sind sehr vielfältig und individuell.
- Biologische Faktoren: Es gibt eine erbliche Komponente, wenn es um Essstörungen geht. So sind manche Kinder von ihrer Genetik her empfänglicher für Essstörungen. Allerdings reicht dieser Faktor alleine nicht aus, um auch in eine solche Situation zu gelangen.
- Familiäre Faktoren: Auch ungesunde Strukturen innerhalb der Familie können krankmachen. Allerdings existiert hier kein klares Muster – so können auch Kinder aus Familien mit wenig Konflikten von einer Essstörung betroffen sein. Einige Faktoren wie heftige Konflikte zwischen Eltern, erhöhte Norm- und Leistungsdenken und -orientierung, impulsive Handlungen oder wenig Emotionen im Familienumfeld begünstigen beispielsweise Bulimie.
- Individuelle Faktoren: Verringertes Selbstwertgefühl, Angst vor Kontrollverlust, übertriebener Perfektionismus – das sind nur ein paar individuelle Faktoren, die eine Essstörung bei Kindern begünstigen können.
- Soziokulturelle Faktoren: Es gibt Gesellschaften, in denen Essstörungen deutlich häufiger auftreten als in anderen. Besonders in den westlichen Industrieländern mit extremen Schlankheitsidealen treten Essstörungen vermehrt auf.
Den finalen Auslöser für Essstörungen bei Kindern geben immer mehrere Faktoren in Kombination. Die oben genannten Ursachen erhöhen lediglich das Risiko für Kinder zu erkranken. Ob und wann die Krankheit dann tatsächlich auftritt, das lässt sich nicht vorhersagen. Es ist und bleibt ein ganz individueller Weg. Daher sollten Eltern mit von Essstörungen betroffenen Kindern sich professionelle Hilfe holen.
Diese Symptome sollten Eltern kennen
Die meisten Alarmsignale für Essstörungen bei Kindern lassen sich nicht auf den ersten Blick als solche erkennen. Das macht es für Sie als Eltern immer schwerer, die Probleme der Kinder zu identifizieren. Auch ist vielen Eltern nicht bewusst, dass Anzeichen bestehen, da die von einer Essstörung betroffenen Kinder eine Funktionalität ihrer Essstörung entwickeln. Das heißt, die Kinder und Jugendlichen schaffen es, die Symptome der Essstörung wie einer Magersucht lange so gut es geht zu verstecken. Dieses Verhalten hat etwas mit der Kontrolle über die Störung und das damit einhergehende Aufwertungsgefühl zu tun: Je besser ich meine Essstörung verbergen kann, desto effektiver bin ich.
Sie als Eltern sollten allerdings nicht verzweifeln, sondern auf folgende Symptome achten:
- Vermehrtes Sporttreiben und damit einhergehender starker Gewichtsverlust.
- Auffällig häufiges Wiegen und Unzufriedenheit mit dem Gewicht
- Auffälliges Essverhalten wie Reduzierung der Mahlzeiten oder gar die Verweigerung. Teilweise bekochen betroffene Jugendliche die Familie parallel, essen dann aber nichts.
- Einnahme von Medikamenten wie Appetitzügler, Diuretika oder Abführmittel.
- Heißhungerattacken oder andere Hungersignale (besonders bei Bulimie).
- Erbrechen und lange Toilettenaufenthalte nach dem Essen
- Allgemeine plötzliche Stimmungsschwankungen.
- Ekel gegenüber bestimmten Nahrungsmitteln oder Essensgerüchen.
- Ausbleiben der Menstruation durch extreme Gewichtsabnahme.
Ab wann ist die Entwicklung krankhaft? Essstörungen bei Kindern: Hilfe für Eltern
Sobald das Schönheitsideal in krankhaften Schlankheitswahn umschlägt, ist eine Grenze überschritten. Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen bahnen sich in der Regel eher langsam an. Sobald Sie merken, dass Ihr Kind die schulischen Leistungen nicht mehr wie gewohnt erbringt oder die familiäre Kommunikation enorm leidet, sollten Sie handeln.
Eltern können sich bei Essstörungen Ihrer Kinder an unterschiedliche Hilfestellen wenden. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZGA) beispielsweise bietet Beratung für Betroffene und Eltern von Kindern mit Essstörungen an. Des Weiteren gibt es heute zahlreiche Möglichkeiten, Ihr Kind stationär-ärztlich oder ambulant in eine entsprechende Klinik einzuweisen. Sinnvoll ist dabei immer nicht nur eine physische Betreuung, sondern insbesondere eine spezielle kinderpsychotherapeutische Begleitung.
Selbst aktiv werden mit einer Aus- und Weiterbildung
Wir bei campus naturalis bieten Ihnen eine Auswahl unterschiedlichen Aus- und Weiterbildungen in der systemischen Therapie an. Mit unserer Ausbildung in der systemischen Fachtherapie mit Schwerpunkt Ernährung erlernen Sie, wie Sie Ihren Klient*innen ein gesundes Verhältnis zum Thema Essen vermitteln können. Mit unserer Ausbildung in der systemischen Kinder- und Jugendtherapie bekommen Sie die nötigen Werkzeuge an die Hand, um speziell Kinder in ihrer Psyche zu unterstützen.
Fazit: Essstörungen bei Kindern häufen sich
Unsere Kinder sehen sich heute immer früher mit einem verzerrten Schönheits- und Schlankheitsideal konfrontiert. Sei es im Netz, in der Schule oder in der eigenen Familie. Wir als Eltern können unsere Kinder zunächst davor nur bedingt schützen. Allerdings können Sie ein offenes Auge auf Ihr Kind werfen und alles dafür tun, dass eine Essstörung bei Ihrem Kind nicht begünstigt wird. Auch in Schulen werden mittlerweile Präventionsprogramme angeboten, die auch Sie als Eltern teilweise in Anspruch nehmen können. Ist die Krankheit dann doch ausgebrochen, holen Sie sich Hilfe.
Quelle1: rki.de
Quelle2: bzga-essstoerungen.de
Quelle3: vital.de