Kunsttherapie bei Demenz: Lichtblick im Alltag von Patienten & Familie

Die Vermutung hegen Sie vielleicht schon länger. Nun gehen Sie zum Arzt und das Herz rutscht in die Hose: Die Diagnose eines geliebten Familienmitglieds lautet tatsächlich Demenz. Patienten und Angehörige stehen nun vor einer großen Herausforderung. Wie gehen sie mit der Erkrankung um? Gibt es Möglichkeiten, das Fortschreiten zumindest zu verlangsamen? Die Antwort lautet glücklicherweise: Ja. Kunsttherapie kann bei Demenz helfen. Lesen Sie hier, was Sie sich darunter vorstellen können und wie sie wirkt.
Die Erkrankung kennenlernen

Demenz – die Krankheit kennenlernen
Im Alter ist es ganz normal: Mal vergisst man, dass die Brille schon auf der Nase sitzt, mal fällt es schwer, sich an den Namen eines Bekannten zu erinnern. Das ist noch keine Demenz. Treten die Symptome vermehrt auf, sollten Sie aufmerksam werden. Kann sich einer Ihrer Angehörigen nur noch schwer orientieren? Gibt es immer mehr Gedächtnislücken? Hat der Betroffene Schwierigkeiten, Probleme zu lösen, oder verändert sich seine Persönlichkeit? Dann leidet er möglicherweise an Demenz – genau wie etwa 1,6 Millionen Deutsche, so das Bundesforschungsministerium.
Demenz ist ein Zustand, bei dem die Fähigkeiten des Gedächtnisses und anderer Leistungsbereiche des Gehirns beeinträchtigt sind. Das zwischenmenschliche Verhalten kann darunter ebenfalls leiden. Demenz tritt vermehrt bei Senioren auf, betrifft aber durchaus auch jüngere Menschen. Wird sie durch Alzheimer, Parkinson oder ähnliche Erkrankungen ausgelöst, ist sie leider bisher noch nicht heilbar. Gehirnzellen sterben ab, das ist medizinisch nicht aufzuhalten. Es ist allerdings möglich, das Fortschreiten der Symptome zu verlangsamen. Ein Hoffnungsschimmer für alle, die sich mit der Krankheit auseinandersetzen müssen! Bei der Behandlung von Demenz können Antidementiva helfen. Dadurch sind Patienten länger geistig leistungsfähig. Ergo- bzw. Logotherapie, Krankengymnastik und Kreativität zögern den Krankheitsverlauf hinaus. Leiden Ihre Angehörigen unter Demenz, lohnt es sich also, über eine Kunsttherapie nachzudenken. Was steckt dahinter? Wie kann sie helfen? Wie macht Kunst den Alltag von Patienten besser?
Wie kann Kunsttherapie bei demenzkranken Menschen wirken?

Kunsttherapie – Gruppe mit Demenzkranken
Der Alltag mit demenzkranken ist mitunter schwierig – für die Patienten selbst und ihre Angehörigen. Sie wollen helfen. Aber wie geht das bei einer Krankheit, die nicht heilbar ist? Eine Option: Mit Kunst! Deren positive Auswirkungen machen Therapeuten sich zunutze:
- Kunsttherapie hilft Menschen mit Demenz, sich auszudrücken, zu kommunizieren und mit der Umwelt zu interagieren. Das geschieht oft auch auf nonverbale Weise. Das gemalte Bild ist dabei quasi das Medium.
- Kunst weckt Erinnerungen – egal ob Demenzerkranke selbst gestalten oder sich Werke von Künstlern im Museum ansehen.
- Betroffene bleiben geistig fit, weil Kreativität indirekt Denkprozesse aktiviert.
- Kunst ruft Emotionen hervor. Die Patienten erleben häufig einen sogenannten Flow-Zustand, bei dem sie völlig in ihrer Tätigkeit aufgehen. Dadurch entstehen Glücksgefühle.
- Die Therapie beruhigt, wenn Erkrankte durch ihre Demenz emotional aufgewühlt sind. Sie motiviert, sodass sie nicht in die Phase des Dahinvegetierens kommen.
- Verloren geglaubte Fähigkeiten und Ressourcen werden wiederentdeckt. Anfangs geht das Malen vielleicht eher schleppend voran. Mit der Zeit entstehen oft ausgefeiltere Bilder. Möglicherweise beginnen die Patienten sogar wieder zu schreiben und versehen ihr Werk mit einer Botschaft. Kunst fördert auch Tätigkeiten, die im ersten Blick nichts damit zu tun haben. Zum Beispiel essen viele Betroffene koordinierter oder die Körperpflege geht auf einmal viel leichter vonstatten.
- Ein Kunstwerk zu erschaffen und Fähigkeiten zu stärken, erhöht das Selbstwertgefühl.
- Diese Erfolge sind nicht immer von Dauer. Oft vergessen Demenzkranke schnell wieder, was sie gemalt, gebastelt, getöpfert oder geschrieben haben. Aber hauptsächlich geht es in der Kunsttherapie bei Demenz ja gar nicht um das Kunstwerk. Vielmehr verschönert das Kreieren den Alltag von Betroffenen und erhält ihre Lebensqualität.
Was passiert bei einer Kunsttherapie?

Demenztherapie – Spaß, künstlerisch zu gestalten
Es gibt nur eine einzige Voraussetzung: Dem Patienten macht es Spaß, künstlerisch zu gestalten. Ist das bei Ihren Angehörigen der Fall? Dann ist Kunsttherapie eine gute Möglichkeit, Demenz hinauszuzögern. Sitzungen finden einzeln oder in Gruppen statt. Hier arbeiten Therapeuten mit Sinnesreizen. Demenzkranke spüren den Ton auf ihrer Haut oder die Leinwand unter ihren Fingern, riechen die Farbe, hören vielleicht die Musik im Hintergrund. Die Teilnehmer können selbst entscheiden, wie und was sie gestalten. Frei oder nach Vorlagen? Skulpturen erschaffen oder Bilder malen? Viele Therapeuten haben gute Erfahrungen gemacht, wenn sie Aquarell-Bilder mit Demenzkranken gemalt haben. Sie beobachten die Patienten während der Sitzung, geben Hilfestellungen und gehen auf Gefühlsausbrüche ein. Denn künstlerisches Schaffen drückt Stimmungen aus und ruft Emotionen hervor. Nicht immer sind diese positiv. Darauf reagieren Kunsttherapeuten mit viel Feingefühl.
Heilende Wirkung von Kreativität – nur bei Künstlern?
Keineswegs! Jeder kann malen, basteln, töpfern und gestalten. Patienten benötigen weder eine Ausbildung, noch spezielles Talent oder Vorkenntnisse. In der Kunsttherapie geht es einzig darum, dass Menschen mit Demenz etwas erschaffen. Sie begegnen sich selbst und nutzen Kunst, um auf ihre individuelle Art zu kommunizieren. Dabei ist es nicht wichtig, wie gut die Bilder, Skulpturen und sonstigen Werke werden. Schöne Momente und Lebensfreude sind viel essentieller!
Sie möchten selbst mit Dementen malen oder Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen?
Kunsttherapie hat sich bewährt und hilft übrigens nicht nur Menschen mit Demenz, sondern kommt auch in anderen Bereichen zum Einsatz. Dazu zählen beispielsweise Heilpädagogik, Traumatherapie und Krisenintervention sowie die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Wer sich in diesem breitgefächerten Feld weiterbilden möchte, kann eine Ausbildung in der Kunsttherapie machen. Sie dauert 1,5 Jahre und behandelt schwerpunktmäßig den künstlerischen Prozess. Primär geht es um Malerei und Plastik. Musik, Tanz und Sprache kommen ebenfalls nicht zu kurz. Wie können Sie Heilungsprozesse fördern? Patienten bei Lebensentscheidungen unterstützen? Demenzkranken helfen, mit ihrer Umwelt zu kommunizieren, ihre Fähigkeiten und Lebensfreude zu behalten? Das lernen Sie in der tiefenpsychologisch fundierten Ausbildung zum Kunsttherapeuten.
Hilfe bei Demenz: Kunst kann viel bewirken
Kunst dementer Patienten ist mitunter sehr eindrucksvoll. Deshalb gibt es Ausstellungen, die diese Werke zeigen. Ihnen wohnt eine ganz besondere Ausdrucksqualität inne. Zwar bauen Demenzkranke kognitive Fähigkeiten ab, das mindert allerdings nicht die Qualität ihrer Bilder. Oft bemerken Betrachter den Unterschied zu den Werken regulärer Künstler gar nicht.
Andererseits kann es Betroffenen helfen, sich mit Kunst auseinanderzusetzen. Es gibt sogar Museen, die Führungen für Demenz-Patienten anbieten. Diese sind speziell auf deren Bedürfnisse abgestimmt. Beispielsweise werden dort wenige und klar strukturierte Kunstwerke vorgeführt. Diese sollten Impulse setzen, aber nicht zu stark emotional aufwühlen. Rembrandts „Blendung des Simon“ ist daher weniger geeignet als Landschaftsmalerei oder ein Obst-Stillleben. Jeder Teilnehmer geht mit dieser Erfahrung individuell um. Bei manchen werden Erinnerungen geweckt, einige genießen still, andere äußern lebhaft ihre Gedanken.
Was können Sie für Ihren Alltag daraus mitnehmen?
Für Angehörige ist es oft herausfordernd, mit der Erkrankung ihrer Lieben umzugehen. Es ist schwer, negative Äußerungen und Taten nicht persönlich zu nehmen. Gespräche sind oft nicht mehr so wie früher möglich. Da ist Kunst vielleicht die perfekte Möglichkeit, eine Brücke zu schlagen, die keiner großen Worte bedarf. Sie haben Freude am Malen, Basteln oder Gestalten? Dann machen Sie das doch zusammen mit Ihren Angehörigen, die an Demenz erkrankt sind – so führen Sie die Kunsttherapie quasi zu Hause weiter.