Zukunft neu schreiben: Systemische Traumatherapie nach kollektiven Schocks

Pandemien, Kriege, Naturkatastrophen – solche Ereignisse erschüttern ganze Gesellschaften. Die Corona-Pandemie zum Beispiel hat weltweit Spuren hinterlassen: „Corona hat ein Kollektivtrauma ausgelöst“, beobachtet die Psychotherapeutin Michaela Huber 1. Tatsächlich bezeichnen Fachleute die Pandemie als globales Trauma, denn sie brachte unvermittelte Kontrollverluste, Ängste und Ohnmachtsgefühle mit sich 1.
Studien zeigen, dass sich in dieser Zeit die Zahl psychischer Erkrankungen verdoppelt hat 1. Auch andere kollektive Schocks – vom Krieg in Europa bis zu Flutkatastrophen – führen zu seelischen Erschütterungen bei vielen Menschen. Rund die Hälfte aller Menschen erlebt mindestens einmal im Leben ein traumatisches Ereignis 1. Die Folgen können gravierend sein: Ängste, Depressionen, posttraumatische Belastungen und ein allgemeiner Verlust an Sicherheit und Zuversicht.
Vor diesem Hintergrund gewinnt die systemische Traumatherapie immer mehr an Bedeutung.
Sie ist ein ganzheitlicher therapeutischer Ansatz, der hilft, nach kollektiven Schockerlebnissen die Zukunft neu zu schreiben – also Traumata zu verarbeiten und gestärkt daraus hervorzugehen.
Im Folgenden geben wir einen Überblick, was systemische Traumatherapie ausmacht, wie sie funktioniert und warum sie gerade bei kollektiven Traumata so wichtig ist.
Zudem betrachten wir aktuelle Erkenntnisse und Entwicklungen in Deutschland und Europa und geben praktische Tipps zur psychischen Krisenbewältigung.
Ziel ist es, Wege aufzuzeigen, wie Individuen und Gemeinschaften nach schweren Krisen Heilung („Traumaheilung„) und neue Resilienz finden können.
Was ist Systemische Traumatherapie?
Systemische Traumatherapie ist eine spezialisierte Form der Psychotherapie, die klassische Traumatherapie mit systemischer Beratung und Familientherapie verbindet 2.
Systemische Therapie als Grundlage ist ein weltweit anerkanntes und bewährtes Verfahren.
Sie betrachtet den Menschen ganzheitlich als Individuum, das in soziale Systeme eingebettet ist (Familie, Gruppe, Gemeinschaft) 3.
Bei der systemischen Traumatherapie wird dieses Denken auf traumatische Erlebnisse angewendet.
Das bedeutet:
Nicht nur der Einzelne mit seinem inneren Erleben steht im Fokus, sondern auch sein Umfeld, Beziehungen und die gesamte Lebenssituation.
Wie funktioniert Systemische Traumatherapie?
Konkret bezieht die systemische Traumatherapie das gesamte System/Umfeld mit ein. Der hilfesuchende Mensch wird dabei nie als „das Problem“ selbst gesehen, sondern eher als „Symptomträger“ für Schwierigkeiten im Gesamtsystem 3.
Diese Sichtweise entlastet Betroffene – das Trauma wird nicht als persönliche „Schwäche“ verstanden, sondern als Resultat extremer Umstände im Kontext ihres Lebens und Umfeldes.
Gleichzeitig liefert das Umfeld wertvolle Ansatzpunkte für die Therapie. Oft leiden ja nicht nur die direkt Traumatisierten, sondern auch Angehörige und das soziale Gefüge an den Folgen. Systemische Traumatherapie setzt daher bei allen relevanten Ebenen an, um Heilung im ganzen System zu fördern.

Therapeuten aktivieren bestehende Stärken und Bewältigungsstrategien eines Menschen
So zeigt die Erfahrung:
Eine systemische Traumatherapie entlastet letztendlich nicht nur die Traumatisierten selbst, sondern auch alle Menschen, die mit ihnen zu tun haben2.
Wenn zum Beispiel ein Familienmitglied sein Trauma bewältigt, profitiert die gesamte Familie – Beziehungen entspannen sich, Verständnis wächst und gemeinsam gelingt die Traumaheilung besser.
Methodisch kombiniert die systemische Traumatherapie bewährte traumaspezifische Techniken mit systemischen Methoden. Aus der Traumatherapie fließen etwa die phasenweise Behandlung („Stabilisierung – Traumaverarbeitung – Integration„) und Techniken wie imaginative Stabilisierungsübungen, Arbeit mit inneren Anteilen (z. B. „Inneres Kind“), EMDR („Eye Movement Desensitization and Reprocessing“) oder Körperübungen ein 4.
Diese dienen dazu, traumatische Erinnerungen behutsam zu verarbeiten und die Betroffenen zu stabilisieren. Der systemische Ansatz ergänzt dies durch Tools wie Familiengespräche, Genogramme (Familienstammbäume), Skulpturarbeit oder das Familienbrett, um Dynamiken im sozialen Umfeld sichtbar zu machen 4.
Wichtig ist die Ressourcenorientierung:
Therapeuten helfen, die bestehenden Stärken und Bewältigungsstrategien eines Menschen und seines Systems zu aktivieren. Sie arbeiten lösungs- und zukunftsorientiert – blicken also nicht nur auf das traumatische Gestern, sondern auch auf ein lebenswertes Morgen.
So wird etwa im „Zukunftsdialog“ geübt, sich eine positive Zukunft vorzustellen und neue Gedanken- und Verhaltensmuster einzuüben 4. Dies fördert die Selbstheilungskräfte und gibt dem Trauma-Geplagten ein Gefühl von Kontrolle und Hoffnung zurück.
Zusammengefasst:
Systemische Traumatherapie betrachtet Trauma im größeren Zusammenhang. Sie lindert nicht nur individuelle Symptome, sondern stärkt zugleich die sozialen Beziehungen und die psychosoziale Gesundheit im Umfeld des Betroffenen. Damit stellt sie einen sehr ganzheitlichen therapeutischen Ansatz dar – ideal, um kollektive Traumata anzugehen, bei denen immer sowohl der einzelne Mensch als auch sein gesellschaftliches Umfeld betroffen sind.
Was sind Auswirkungen Kollektiver Traumata?
Von einem kollektiven Trauma spricht man, wenn ein ganzes Kollektiv – sei es eine Gemeinschaft, Bevölkerung oder sogar Menschheit im Ganzen – von einem traumatischen Ereignis betroffen ist.
Klassische Beispiele sind:
- Kriege,
- Terroranschläge
- Naturkatastrophen
- globale Krisen wie Pandemien
In Deutschland und Europa sind uns kollektive Traumata durchaus vertraut:
Der Zweite Weltkrieg etwa traumatisierte Millionen, und die unverarbeiteten Erlebnisse wirkten noch Jahrzehnte in der Nachkriegsgeneration nach 1. Viele sogenannte „Kriegskinder“ litten unter den seelischen Wunden ihrer Eltern oder Großeltern, die das Kriegstrauma unbewältigt an die nächste Generation weitergaben 1.
Dieses Phänomen transgenerationaler Traumata zeigt, wie langanhaltend kollektive Schocks nachwirken können.
Krieg als Kollektives Trauma
Aktuell erlebt Europa erneut Krieg: Der Krieg in der Ukraine seit 2022 hat Millionen Menschen zur Flucht gezwungen und unzählige Familien zerrissen. Die psychischen Folgen sind enorm. Laut UNHCR sind etwa ein Drittel der ukrainischen Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen, viele davon brauchen auch psychologische Unterstützung 5.
Über anderthalb Millionen Kinder sind von langfristigen seelischen Schäden bedroht 5.
Auch in den Aufnahmeländern zeigen sich die Herausforderungen:
In Deutschland leiden schätzungsweise 30–40 % der Geflüchteten aus Kriegsgebieten an Traumafolgestörungen, doch nur ein kleiner Teil von ihnen erhält bisher psychotherapeutische Hilfe 5. Experten schätzen, dass nur etwa jeder achte Geflüchtete mit einem psychosozialen Hilfsangebot in Berührung kommt 5.
Diese Lücke ist alarmierend – hier wird deutlich, wie wichtig der Ausbau traumaspezifischer Versorgung ist, um kollektive Krisenfolgen zu bewältigen. Fachleute sprechen von einer erheblichen Unterversorgung und fordern, mehr niedrigschwellige Anlaufstellen und Therapieplätze zu schaffen 5.

Krieg als Kollektives Trauma – psychische Folgen sind enorm
Naturkatastrophen als Kollektives Trauma
Ein weiteres jüngeres Beispiel für ein kollektives Trauma in Deutschland ist die Flutkatastrophe im Ahrtal 2021.
Innerhalb einer Nacht verloren ganze Ortschaften ihre Lebensgrundlage. Viele Menschen trauern um Angehörige, Häuser und ihre Heimat.
Auch hier zeigten sich typische Trauma-Folgen:
Bei Regen kehrt die Angst zurück, Betroffene leiden unter Schlafstörungen und Anspannung. Vor Ort wurde ein Traumahilfe-Zentrum eingerichtet, um den Flutopfern therapeutisch beizustehen 6.
Die Psychiaterin Katharina Scharping berichtet, dass noch lange nach der Katastrophe viele unter den seelischen Folgen litten und professionelle Unterstützung brauchten 6. Solche Ereignisse verdeutlichen, dass psychische Krisenbewältigung nach Naturkatastrophen Zeit, Mitgefühl und sachkundige Hilfe erfordert.
Pandemien als Kollektives Trauma
Nicht zuletzt hat die eingangs erwähnte COVID-19-Pandemie weltweit ein Ausmaß an kollektivem Stress erzeugt, das beispiellos ist. Fast alle Menschen waren von Einschränkungen, Gesundheitsängsten oder sozialer Isolation betroffen.
Studien in Deutschland zeigten flächendeckend Beeinträchtigungen des psychischen Wohlbefindens in weiten Teilen der Bevölkerung 7.
Insbesondere während Lockdowns litten viele unter Einsamkeit, familiären Konflikten oder Existenzängsten. Diese andauernde Stressbelastung erfüllt in mancher Hinsicht die Kriterien eines kollektiven Traumas 1.
Zu beobachten waren vermehrt Symptome wie Schlafstörungen, Reizbarkeit, Angst und depressive Verstimmungen – selbst bei Menschen ohne Vorerkrankungen 1. Für einige mündete die Daueranspannung sogar in handfeste psychische Störungen. Experten warnen, dass die psychosozialen Folgen der Pandemie uns noch lange beschäftigen und aufgearbeitet werden müssen 1.
Positiv ist:
Das öffentliche Bewusstsein für mentale Gesundheit ist durch diese Krise gewachsen. Gesellschaftlich wird offener über Stress, Trauma und Resilienz gesprochen. Das schafft die Basis, um kollektiv erlittene Wunden anzugehen.
Warum ist systemische Traumatherapie bei kollektiven Schocks so wichtig?
Nach großen Krisen stehen oft ganze Gemeinschaften unter Stress. Eine herkömmliche Trauma-Therapie konzentriert sich vor allem auf das Individuum – was natürlich zentral ist, aber bei massenhaftem Bedarf schnell an Grenzen stößt. Systemische Traumatherapie punktet hier mit ihrem erweiterten Blickwinkel und ihrem flexiblen Einsatz in verschiedensten Settings.
Wer braucht systemische Traumatherapie?
Grundsätzlich alle, die ein traumatisches Ereignis erlebt haben und unter den Folgen leiden, könnten davon profitieren
- Menschen mit Symptomen einer PostTraumatischen BelastungsStörung (PTBS) oder anderen Traumafolgestörungen.
Bei kollektiven Traumata sind dies oft sehr viele gleichzeitig:
Überlebende, Angehörige, Helfer und sogar indirekt Betroffene, die z. B. erschütternde Medienbilder gesehen haben. Nach einem kollektiven Schock (kollektiver Schock) wie einer Naturkatastrophe kann eine ganze Region traumatisiert sein; nach einem Terrorakt eine ganze Stadt. - Systemische Traumatherapie kommt allen zugute:
Sie hilft den direkt Betroffenen und unterstützt gleichzeitig deren Familien und Umfeld im Heilungsprozess 2. - Besonders verletzliche Gruppen – etwa Kinder, ältere Menschen oder Menschen mit früheren Traumata – brauchen oft dringend Unterstützung, damit das Erlebte sich nicht chronisch festsetzt.
- Systemische Therapeuten können auch präventiv arbeiten: z. B. mit Eltern traumatisierter Kinder oder mit Schulen und Gemeinden, um Folgeschäden abzumildern.

PTBS bei Soldaten nach Einsatz
Was bewirkt die systemische Traumatherapie?
Ihr Ziel ist es, Traumata aufzuarbeiten, sodass die Betroffenen ihr seelisches Gleichgewicht zurückgewinnen und ein normales Leben führen können.
Konkret bewirkt die Therapie eine Linderung von Trauma-Symptomen – wie Flashbacks, Albträume, Angstzustände oder sozialem Rückzug 8.
Durch Stabilisierungs-Techniken lernen Klienten, ihre Panikattacken oder Schlafstörungen zu kontrollieren. In der behutsamen Trauma-Konfrontation werden erschreckende Erinnerungen nach und nach in die Biografie integriert, statt als ständig aufdrängende „Filmsequenzen“ im Kopf herumzuspuken.
Ein wichtiger Effekt ist zudem, dass Betroffene durch die Therapie Verständnis für ihre Reaktionen entwickeln – sie begreifen, dass ihre Symptome normale Reaktionen auf unnormale Ereignisse sind und fühlen sich weniger hilflos oder „verrückt“.
Darüber hinaus setzt systemische Traumatherapie bei den sozialen Folgen an:
- Sie fördert Kommunikation in Familien
- unterstützt Paare dabei, gemeinsam durch die Krise zu gehen
- bezieht ggf. ganze Gruppen in den Heilungsprozess ein.
Das Wir-Gefühl kann dadurch wieder wachsen. Insgesamt trägt die Methode also auch zur Resilienz der Gemeinschaft bei, nicht nur des Einzelnen.
Wo wird Systemische Traumatherapie eingesetzt?
- Inzwischen findet man systemische Traumatherapie in vielen Bereichen der psychosozialen Versorgung. Therapeuten mit dieser Zusatzqualifikation arbeiten in Traumazentren, Psychiatrien, Beratungsstellen und freien Praxen.
Speziell nach kollektiven Krisen werden oft temporäre Angebote geschaffen, z. B. Gemeindezentren, die psychosoziale Gruppenangebote machen, oder mobile Einsatzteams nach Katastrophen. - In Schulen und Kitas können systemische Fachleute nach belastenden Ereignissen (etwa einem Schulunfall oder dem Verlust eines Mitschülers) gruppenbasiert arbeiten, um Kinder aufzufangen.
- Auch im Bereich der Flüchtlingshilfe sind systemische Trauma-Experten aktiv – beispielsweise in psychosozialen Zentren für Geflüchtete oder in Erstaufnahmeeinrichtungen, wo interkulturelle Teams Betroffene stabilisieren.
- Nicht zuletzt bietet die Online-Therapie neue Chancen: Durch die Pandemie hat sich Tele-Beratung etabliert 9.
Systemische Traumatherapie lässt sich in vielen Fällen auch per Videochat durchführen, was ortsunabhängig Hilfe ermöglicht – etwa für Menschen in ländlichen Gebieten oder unter Quarantäne.
Warum Systemische Traumatherapie gerade bei kollektiven Schocks?
Weil hier die Heilung der einzelnen Person eng verknüpft ist mit der Heilung des Kollektivs.
Systemische Traumatherapie adressiert beides zugleich. In einer von Krisen erschütterten Gemeinschaft (sei es ein Dorf nach einer Flut oder ein Land nach einer Pandemie) sorgt sie dafür, dass Individuen ihre Traumata bewältigen und dass das soziale Miteinander gestärkt wird.
Sie hilft, sekundäre Traumatisierungen zu verhindern – etwa bei Angehörigen oder Helfern, die sonst die Last stummer Zeugen tragen würden 1.
Außerdem fördert sie Resilienz als aktiven, interaktiven Prozess, der ein Leben lang weitergeht 4. Resilienz bedeutet Widerstandskraft: Eine resiliente Gemeinschaft kann künftigen Krisen besser standhalten. Indem systemische Therapeuten in Gruppen Ressourcen aktivieren (z. B. Gemeinschaftssinn, Kultur, Spiritualität), schaffen sie Netzwerke der Unterstützung, die weit über die einzelne Therapiesitzung hinaus wirken.
Fachleute betonen, dass wir uns im Zeitalter multipler Krisen – Polykrise genannt – aktiv mit unseren kollektiven Traumata auseinandersetzen müssen, um als Gesellschaft zukunftsfähig zu bleiben 10.
Unverarbeitete kollektive Traumata (etwa durch Krieg, Klimawandel oder Pandemie) können sonst zu chronischer Angst, Spaltung und weiteren Konflikten führen.
Systemische Traumatherapie liefert hier einen Schlüssel, indem sie auf allen Ebenen ansetzt:
Individuell, familiär, gesellschaftlich. Sie hilft uns, aus dem „Gefrierschock“ herauszukommen, konstruktiv über das Erlebte zu sprechen und gemeinsam neue Perspektiven zu entwickeln. So kann aus dem Schock allmählich Stärke werden.
Praktische Tipps zur Bewältigung kollektiver Traumata
Nicht immer steht sofort ein Therapeut bereit, wenn ein kollektiver Schock eintritt. Doch es gibt praktische Schritte, die Betroffene und Gemeinschaften selbst unternehmen können, um mit dem Erlebten besser umzugehen – viele davon im Einklang mit Prinzipien der systemischen Traumatherapie:
Offen über Erlebnisse sprechen
Schweigen kann Traumata verstärken. Suchen Sie das Gespräch mit Menschen Ihres Vertrauens. In einer Familie oder Gemeinde kann es helfen, sich auszutauschen und Gefühle mitzuteilen. Wie Experten betonen, erleichtert der Mut Einzelner, offen zu sprechen, auch anderen den Schritt aus dem Rückzug 11. Gemeinsames Teilen des Schocks wandelt individuelles Leid in geteiltes – und damit leichter tragbares – Leid.
Soziale Unterstützung nutzen
Ziehen Sie sich nicht zurück, sondern suchen Sie aktive Verbindung. Eine mitfühlende, solidarische Umgebung ist einer der wichtigsten Schutzfaktoren in der Trauma-Bewältigung 1. Ob Familie, Freundeskreis oder Nachbarschaft – halten Sie Kontakt. Auch Hilfsangebote wie Selbsthilfegruppen oder Beratungsstellen bieten die Möglichkeit, sich aufgehoben zu fühlen. Niemand muss alleine mit einem kollektiven Trauma fertigwerden.

Traumabewältigung – öffnen Sie sich Menschen Ihres Vertrauens
Strukturen und Rituale pflegen
Kollektive Schocks reißen Routinen ein. Versuchen Sie, Alltagsstrukturen zurückzugewinnen oder neue zu schaffen. Feste Tagesabläufe, gemeinsame Mahlzeiten oder kleine Rituale (z. jeden Abend eine Kerze anzünden) geben Halt. Nach großen Verlusten helfen Rituale des Gedenkens – etwa Jahrestage, an denen gemeinsam der Opfer gedacht wird. Solche Traditionen zeigen, dass das Ereignis einen Platz im kollektiven Gedächtnis hat, was Betroffenen Würdigung und Sinn vermitteln kann 11.
Körper und Psyche stabilisieren
In Krisenzeiten vergessen viele, auf sich selbst zu achten. Achten Sie bewusst auf ausreichenden Schlaf, regelmäßige Mahlzeiten und Bewegung – so einfach es klingt, so wichtig ist es. Bewegung (Spazierengehen, Sport) hilft, Stresshormone abzubauen. Entspannungsübungen (Atemübungen, Yoga, Meditation) können das nervöse System beruhigen. Solche Selbstfürsorge schafft die Basis dafür, Traumata zu verarbeiten. Bei akuter Übererregung (Panik, Herzrasen) helfen manchmal einfache Techniken wie bewusst 5 Dinge im Raum zu benennen (zur Erdung im Hier und Jetzt) oder Eiswürfel in die Hand zu nehmen (um aus dem Flashback herauszukommen). Dies sind Stabilisierungsübungen, die auch in Therapien gelehrt werden.
Positive Aktivitäten und Sinnsuche
Trotz allem Leid ist es wichtig, Momente der Freude zuzulassen. Pflegen Sie Hobbys, suchen Sie Naturerlebnisse oder kulturelle Veranstaltungen, soweit möglich. Positive Erfahrungen sind kein Verrat an den Opfern, sondern stärken die Lebenskraft. Ebenso kann es helfen, dem Trauma einen Sinn zu geben – z. indem man sich engagiert, um künftige Katastrophen zu verhindern, oder anderen Betroffenen hilft. Aus passiven Opfern können so aktive Gestalter werden, was das Gefühl von Kontrolle zurückbringt. In der Psychologie spricht man hier von posttraumatischem Wachstum: Menschen können aus Krisen sogar eine neue Stärke oder Lebensphilosophie ziehen 4.
Professionelle Hilfe annehmen
Scheuen Sie sich nicht, Unterstützung von außen zu suchen. Psychotherapeutische Angebote, Beratungsstellen oder seelsorgerische Gespräche können enorm entlasten. Auch wenn Wartelisten lang sind – ein erster Kontakt kann Wege öffnen. Mittlerweile gibt es viele traumatherapeutische Hilfsangebote: von telefonischen Krisendiensten über Online-Beratungen bis zu Trauma-Yoga-Kursen. Informieren Sie sich über lokale Initiativen (oft über Kommunen oder Hilfsorganisationen) oder sprechen Sie Ihren Hausarzt an. Frühzeitige Hilfe kann verhindern, dass akuter Stress sich zu einer chronischen Erkrankung entwickelt 1.

Traumatherapeutische Hilfsangebote: Hilfe anzunehmen ist kein Zeichen von Schwäche!
Letztlich darf sich jeder vergegenwärtigen: Es ist keine Schwäche, durch ein extremes Ereignis aus der Bahn geworfen zu werden. Trauma ist die natürliche Reaktion auf unnatürliche Umstände.
Hilfe anzunehmen ist ein Zeichen von Stärke und von Selbstfürsorge. In einer Gemeinschaft sollte es selbstverständlich sein, aufeinander zu achten – getreu dem Motto: „Gemeinsam sind wir stark“.
Kollektive Traumata fordern kollektiven Zusammenhalt und kollektive Heilungswege.
Unser Fazit
Kollektive Schocks wie Pandemien, Kriege oder Katastrophen stellen unsere seelische Widerstandskraft auf die Probe. Sie bringen großes Leid, aber sie können – richtig angegangen – auch zu einem Katalysator für Wachstum und Veränderung werden.
Systemische Traumatherapie bietet einen hoffnungsvollen Weg, dieses Potenzial zu nutzen. Indem sie Traumaheilung ganzheitlich angeht, hilft sie einzelnen Menschen, ihr seelisches Gleichgewicht wiederzufinden, und stärkt zugleich Familien und Gemeinschaften. So werden aus Opfern wieder handlungsfähige Gestalter ihres Lebens.
Deutschland und Europa investieren zunehmend in psychosoziale Gesundheit und Resilienzförderung – von Community-Projekten bis hin zur Ausbildung von Trauma-Experten. Dies ist der richtige Weg, um als Gesellschaft robuster zu werden. Wenn wir Lehren aus den Krisen ziehen und uns gegenseitig stützen, können wir zukünftige Schocks besser bewältigen. Systemische Traumatherapie ist dabei ein zentraler Baustein, denn sie verbindet individuelle Heilung mit kollektivem Lernen.
Unser Angebot
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Quelle1:
FIP-Institut (Annabel Anbessa) – Kollektives Trauma Corona und Traumaberatung (Magazin-Artikel, 2022)
fip-institut.de
Quelle2:
Hanswille & Kissenbeck – Systemische Traumatherapie: Konzepte und Methoden für die Praxis (Carl-Auer Verlag, 2008)
lehmanns.de
Quelle3
campus naturalis – Ausbildung | Systemische Traumatherapie (Info-Seite)
campusnaturalis.de
Quelle4:
socialnet.de – Rezension: Systemische Traumatherapie (Hanswille/Kissenbeck)
socialnet.de
Quelle5:
Deutschlandfunk – Traumata bewältigen in Zeiten des Krieges (Beitrag vom 27.05.2025)
deutschlandfunk.de
Quelle6:
Focus Online – „Bei Regen kehrt die Angst zurück: Wie Flutopfer lernen, ihr Trauma zu besiegen“.
focus.de
Quelle7:
National Library of Medicine – „Systemic Trauma: A Systemic Perspective on Psychological and Social Impacts“ (PMC12058912).
pmc.ncbi.nlm.nih.gov
Quelle8:
medica mondiale – „Trauma und Traumabewältigung“.
medicamondiale.org
Quelle9:
Frankfurter Allgemeine Zeitung – „Psychologe spricht über das Trauma durch die Corona-Pandemie“.
faz.net
Quelle10:
Thomas Hübl – Die Botschaft der Polykrise (Blogpost, 13.03.2024)
thomashuebl.com
Quelle11:
therapie.de – Bewältigung kollektiver transgenerationaler Traumata
therapie.de