24. August 2019

Mobbing in der Schule: Tipps für Pädagogen und Eltern

Mobbing in der Schule ist längst kein Einzelfall mehr

Ein scheinbar harmloser Streit mit der besten Freundin, der plötzlich große Kreise in der Klasse zieht. Beschmierte Schulsachen und Kleidungsstücke. Tränen auf dem Nachhauseweg. Was klein anfängt, wird schnell immer größer und bedrohlicher – teilweise bis hin zur Selbstverletzung. Viele Eltern und Pädagogen kennen diese Situationen: Mobbing in der Schule ist längst kein Einzelfall mehr.

Etwa 19 Prozent der Schüler, die in Bayern weiterführende Schulen besuchen, kommen regelmäßig mit Mobbing in Kontakt. Davon sind circa 15 Prozent Opfer, der Rest Mobber. Das sind allerdings reine Schätzwerte. Empirische und flächendeckend durchgeführte Studien zum Thema an Schulen gibt es wenige. Dennoch, die Zahl ist erschrecken: Rund eine halbe Million Mobbingopfer gebe es bei vorsichtiger Schätzung an weiterführenden Schulen im Freistaat zu verzeichnen, so die zuständige Landesregierung*. Deutschlandweit zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Zusätzlich dazu verschärft sich die Lage durch sogenanntes Cybermobbing immer mehr.

Welche Formen der Schikane an Schulen gibt es eigentlich? Ab wann kann von Mobbing die Rede sein? Wie steht es um die Folgen für Opfer? Welche Möglichkeiten gibt es für Eltern und Pädagogen einzugreifen? Und welche Präventionsmaßnahmen werden von Schulseite aus eingesetzt?

Wenn Streit endet und Mobbing beginnt

Die Psychologin Mechthild Schäfer, die an der Ludwig-Maximilians-Universität in München seit über 20 Jahren zum Thema Mobbing in der Schule und im Berufsleben forscht, beschreibt diese Art der Ausgrenzung als eine Form der Machtausübung. Es gehe vor allem darum, seinen eigenen sozialen Status zu verbessern. Innerhalb einer größeren Gruppe Menschen strebe, statistisch gesehen, immer etwa ein Drittel der Personen danach, die anderen zu dominieren. Opfer dieser Form der Profilierung gegenüber Anderen kann jeder werden.
Der Begriff „Mobbing“ stammt aus dem Englischen. Frei übersetzt bedeutet er soviel wie anpöbeln oder fertigmachen. Die Handlungen werden als offene oder verdeckte Gewalt gegen eine oder mehrere Personen definiert. Die Konflikte dauern über einen längeren Zeitraum an und können sich stetig steigern. Die Gewalt kann physisch oder seelisch sein, daher unterscheidet Schäfer zwei Formen der Mobbinghandlungen:

  • direktes: Das beginnt bereits bei Belästigungen wie Hänseln und Drohen und führt bis hin zu Schikanen aller Art sowie Bloßstellen.
  • indirektes: Von Ausgrenzen aus der Gruppe bis hin zu Rufschädigungen und dem kompletten und gezielten Isolieren durch die Täter.

Die Schikanen können daher auch als Psychoterror beschrieben werden, bei dem der Betroffene systematisch ausgegrenzt und erniedrigt wird. Im schlimmsten Fall kann dieser Machtmissbrauch von psychischer in physische Gewalt umschlagen. Besonders in der Schule werden Anfeindungen und Hänseleien oft heruntergespielt – dabei sind diese Taten in vielen Fällen Auslöser für psychische Erkrankungen wie Depressionen und Burnout bei Kindern.

Wie läuft ein Mobbingprozess ab?

Wie die Definition schon besagt, geht es bei dieser Form der Anfeindung vor allem um einen länger stattfindenden Prozess. In der Regel wird von drei aufeinander aufbauenden Stufen gesprochen.

  • Explorationsstadium: In dieser Phase sucht sich ein Schüler, der seinen sozialen Status verbessern möchte, sein Opfer aus. Das passiert generell durch verschiedene Sticheleien, die an unterschiedliche Kinder gerichtet sind. Das Verhalten der Mitschüler konzentriert sich auf den Täter.
  • Konsolidierungsstadium: Die zweite Phase ist geprägt von systematischen Attacken auf einen einzelnen Schüler. Hier beginnt Mobbing erst richtig.
  • Manifestationsstadium: Zu diesem Zeitpunkt hat es der Täter geschafft, die gesamte Klasse zu überzeugen, dass die Attacken gegen das Opfer gerechtfertigt sind. Alle Rollen sind irreversibel gefestigt. In dieser Phase bekommt der Mobber immer wieder Anerkennung bis hin zu aktiver Unterstützung. Das Ergebnis ist, dass einerseits der soziale Status des Täters angehoben wird. Andererseits wird das Opfer von allen Mitschülern abgelehnt und bleibt innerhalb der Klassengemeinschaft isoliert.

Besonders wichtig, um Mobbing entgegenzuwirken, ist die zweite Phase. Innerhalb des Konsolidierungsstadiums spielt das Verhalten von Mitschülern und Pädagogen die entscheidende Rolle. Wird an dieser Stelle nicht eingegriffen – egal ob von Schüler- oder Lehrer-Seite aus – dann kann das weitreichende Folgen für das Opfer haben.

Entscheidende Rolle: Das Verhalten von Mitschülern und Pädagogen

Entscheidende Rolle: Das Verhalten von Mitschülern und Pädagogen

Das sollten Eltern und Pädagogen tun

Sobald auch nur der leiseste Verdacht auf eine systematische psychische oder physische Schikane gegenüber einem Schüler laut wird, sollten Eltern das Gespräch suchen. Im Idealfall passiert das bereits in der zweiten Phase. So kann eingegriffen werden, bevor ein Kind einen größeren seelischen oder physischen Schaden davonzieht. Anzeichen für Mobbing gegenüber Ihrem Kind oder Ihrem Schüler können diese Signale sein:

  • Ein Kind wird regelmäßig in Streitigkeiten hineingezogen, ohne, dass es etwas dazu beiträgt.
  • Hänseleien, die in diffamierender Art und Weise ausgeführt werden. Dazu gehört auch das Beschädigen von Gegenständen des Schülers.
  • Ein genereller hilfloser, ängstlicher und unsicherer Eindruck innerhalb des Unterrichts, den Pausen sowie vor und nach der Schule.
  • Plötzliches oder allmähliches nachlassen der schulischen Leistungen.
  • Unerklärliche Schnitte, Prellungen und andere Verletzungen. Typischerweise bekommen Eltern auf die Frage nach dem Ursprung keine Antwort.

Mobbing-Prävention und Hilfe für Opfer fallen ganz klar in den Zuständigkeitsbereich der Schule. Daher sollte zuerst das Gespräch mit der Klassenleitung gesucht werden. Der Schutz des Betroffenen muss das erste Ziel sein. Handelt es sich wirklich um Mobbingfälle, dann sollten Maßnahmen wie Änderungen der Sitzordnung, Sanktionen bei Fehlverhalten der Mitschüler oder auch Problemlösungsstrategien wie Klassengespräche eingeleitet werden. In gravierenden Fällen hilft ein Schulwechsel.
Außerdem sollten Pädagogen hinsichtlich der Thematik besser geschult werden. Wenn Sie sich selbst als Lehrkraft in solch einer Situation wiederfinden, dann kann beispielsweise eine zusätzliche Ausbildung in der Kinder- und Jugendtherapie sinnvoll sein. Dabei erlernen Sie unter anderem gezielte Deeskalationsstrategien sowie Methoden zur Vermeidung von seelischen Misshandlungen aller Art. Eine weitere Möglichkeit für Lehrer und alle, die vor Gruppen sprechen, ist eine Kurzfortbildung wie Moderation – Train the Trainer. Das Seminar beschäftigt sich ebenfalls mit Gruppendynamiken und der Vermittlung von Informationen sowie dem korrekten äußern von Kritik.

Folgen von Mobbing in der Schule

Mobbingforscher warnen vor den Folgen für die Opfer von Ausgrenzungen und Anfeindungen, wenn Pädagogen oder Eltern nicht eingreifen. Diese können umfassen:

  • Störungen in der Entwicklung des Selbstbewusstseins
  • Isolation und Einsamkeitsgefühle, die zu Angst, Traurigkeit und zu Depressionen führen können
  • Psychosomatische Beschwerden wie Bauchschmerzen, Übelkeit oder Kopfschmerzen
  • Selbstverletzung bis hin zu Selbstmordgedanken

In vielen Fällen leiden die Opfer der Attacken ihr komplettes Leben lang unter diesen Erfahrungen.

Mobbing: die Opfer leiden

Mobbing: die Opfer leiden

Präventive Maßnahmen

Schulen und pädagogische Einrichtungen aller Art gehen immer vermehrter gegen Anfeindungen, Ausgrenzungen und Mobbing vor. Der erste Schritt dabei ist es, das Problem zu benennen und es als solches anzuerkennen. Danach gibt es diese unter anderem diese Möglichkeiten:

  • Klare Verhaltensregeln vom ersten Schultag an: Viele Klassen arbeiten diese zusammen aus und jeder Schüler unterschreibt sie.
  • Trainierte Lehrer und aufmerksames Schulpersonal, die Probleme und Mobbing identifizieren und regelmäßige Weiterbildungen zum Thema absolvieren können.
  • Bewusstsein bei den Kindern schaffen: In vielen Schulen gibt es mittlerweile sogenannte „Streitschlichter“. Das Konzept sieht vor, dass einige ältere Schüler als feste Ansprechpartner der Jüngeren gelten. Diese haben die Möglichkeit Probleme und Vorfälle anonym zu berichten. Streitschlichter greifen auch dann ein, wenn sie Konflikte auf dem Schulhof mitbekommen.

Wichtig ist, dass unakzeptables Verhalten schon im Keim erstickt wird – ansonsten werden die Schüler alle Grenzen immer weiter austesten und eine erfolgreiche Mobbing-Prävention kann nicht durchgeführt werden.

*QUELLE: Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus – https://www.km.bayern.de/eltern/was-tun-bei/persoenlichen-sorgen/mobbing.html

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