Wie die Kunst in der Suchttherapie zum Einsatz kommen kann: Gefühle gestalten
Die eine Zigarette, das tägliche Glas Wein oder der eine Joint auf der Party – das ist doch kein Problem. So denken viele Menschen, die dann viel zu schnell in eine Abhängigkeit rutschen. Der Weg in eine Sucht ist oftmals kürzer als wir denken, der Weg hinaus allerdings für viele fast unbezwingbar. Wie kann es soweit kommen? Welche Behandlungsformen gibt es? Und wie kann beispielsweise eine gezielte Suchttherapie, die mit Kunst und Gestaltung arbeitet, wirken?
Doch zunächst ein paar harte Fakten*: Etwa 28 Prozent der Erwachsenen Personen in Deutschland sind bereits in Kontakt mit illegalen Drogen wie Heroin oder Opioiden gekommen. Das Durchschnittsalter für den Erstkonsum von Cannabis liegt derzeit bei 15,2 Jahren. Besonders anfällig für Substanzen wie Kokain sind Männer. Zahlen, die zunächst erschrecken.
Doch nicht nur illegale Drogen können zu lebensbedrohlichen Suchterkrankungen führen. Auch legale Drogen wie Nikotin oder Alkohol können zu schweren Schädigungen mit weitreichenden Folgen führen. So ist eine der häufigsten Ursachen mit 64,9 Prozent für eine stationäre Suchtbehandlung übermäßiger Alkoholkonsum.
Zudem unterschätzen die Meisten die sogenannten legalen Einstiegsdrogen wie Nikotin oder Alkohol. Aber auch andere Formen von Süchten gibt es, dazu zählen auch bestimmte Verhaltensweisen oder Essstörungen. Ausschlaggebend ist immer eine gewisse psychische und körperliche Abhängigkeit der KlientInnen**. An diesen Eigenschaften einer Suchterkrankung setzt die Kunsttherapie an.
Was genau ist eine Sucht eigentlich?
Zunächst ist es wichtig, festzustellen, dass eine Sucht immer eine Form von Krankheit ist. Die Caritas beispielsweise definiert Sucht als eine Bezeichnung für eine Art von Abhängigkeit von einer bestimmten Substanz oder einem Verhalten***. So verschieden wir Menschen auch sind, so verschieden können sich Suchterkrankungen ausdrücken:
- Drogen-, Alkohol oder Medikamentensucht
- Spiel- oder Sexsucht
- Essstörungen wie Bulimie oder Magersucht
- Computer- oder Handysucht
Die verschiedenen Suchtarten werden in sogenannte stoffgebundene (Drogen, Alkohol) und nichtstoffgebundene (Glückspiel, pathologischer Internetgebrauch) Verhaltensweisen unterteilt****. Ihnen allen gemein ist ein bestimmter Kick oder ein bestimmtes Gefühl für den oder die Abhängige.
Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft
Menschen, die von etwas abhängig sind, stehen oftmals unter einem erheblichen Leidensdruck. Schlechte Gewissen werden verdrängt, Gefühle mit der Sucht unterdrückt. Die Folgen und Beeinträchtigungen im Alltag sind gravierend:
- Soziale Konsequenzen: Einsamkeit, Abstumpfung, Vertrauensverlust von Familie und Freunden
- Existenzielle Konsequenzen: finanzielle Schwierigkeiten, Verlust des Arbeitsplatzes oder der Wohnung
Diese Folgen sind nicht nur für ein individuelles Schicksal schwerwiegend. Auch für die Gesellschaft können die unterschiedlichen Formen von Suchterkrankungen zum Problem werden. Daniela Ludwig *****, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, betont daher in ihrem Statement zum Drogen- und Suchtbericht 2019, dass Drogenpolitik ganz klar Gesundheitspolitik sei. Wichtig sei der offene Dialog statt einer immerwährenden ideologischen Debatte.
Wege aus der Abhängigkeit: Kunst als Suchttherapie
Bei den unterschiedlichsten Suchterkrankungen gilt es zunächst, den Willen zur Veränderung und Verbesserung im PatientIn zu erzeugen. Nur mit diesem Ansatz kann eine Behandlung auch langfristig erfolgreich sein. Neben den klassischen stationären Suchttherapien und Behandlungen in einer Klinik gibt es eine Vielzahl an ambulanten Möglichkeiten.
Heute ist die Psychotherapie neben einer Entwöhnungsbehandlung bei Suchterkrankungen ein wichtiger Bestandteil der Heilung. In der ambulanten und stationären Suchttherapie stehen heute Kunst- und Gestaltungsübungen hoch im Kurs. Die Möglichkeiten und Methoden werden übrigens auch vielfach in der Kunsttherapie für Kinder oder Senioren genutzt, um gravierende traumatische Erlebnisse oder Krankheiten zu verarbeiten.
Die Methoden der Kunsttherapie
Je nach persönlichem Interesse des PatientIn werden in der Kunsttherapie zur Suchtbehandlung unterschiedliche Materialien und Techniken genutzt:
- Malerei: Klassisch mit Stift und Papier oder mit Farbe auf Leinwänden
- Formende Gestaltung: beispielsweise mit Ton, Gips oder Pappmaché bis hin zu der Bearbeitung von Holz oder Stein
Wichtig zu wissen: Es ist in der Suchttherapie mit Kunst-Übungen nicht entscheidend, ob der- oder diejenige besonders künstlerisch talentiert ist. Viel entscheidender ist der Prozess an sich, also das Auseinandersetzen mit einem Thema oder einer Aufgabe. Aus der Kreativität und dem Umgang damit ergeben sich dann in anschließenden Gesprächen Lösungsansätze und Heilungschancen. Der Phantasie sollen zunächst keine Grenzen gesetzt werden.
Farben und Formen schaffen Ausdrucksmöglichkeiten
Kreativ- und Gestaltungstherapien haben gerade bei den unterschiedlichsten Suchterkrankungen einen ganz entscheidenden Vorteil: Sie schaffen Distanz zur Realität. Das bedeutet, dass sobald Kunst in der Suchttherapie eingesetzt wird, den KlientInnen die Möglichkeit gegeben wird, hinter ihrem Problem hervorzutreten.
Wenn Betroffene künstlerisch aktiv werden, dann setzen sie sich bewusst oder unbewusst mit ihren Empfindungen auseinander. Der Dialog zwischen Gefühlen, Sucht und KlientIn wird gefördert. Im Verlauf der Behandlung lernen Betroffene, durch die Kunst ihre Emotionen zu beeinflussen und zu lenken. Die Effekte können vielseitig sein:
- Steigerung des Selbstwertgefühls und der Selbstkontrolle
- Anstoßen von Heilungsprozessen
- Auseinandersetzen mit der Vergangenheit
- Erkennen von Ursachen für die Sucht
Der wichtigste Aspekt dabei ist das Finden von neuen Lebensinhalten. Durch die Kunst kann Betroffenen neue Wege aufgezeigt werden – das gelingt in kleinen Schritten beispielsweise dadurch, dass die KlientInnen erfahren, dass Kunst Spaß machen kann.
Prävention durch Kunst in der Suchttherapie
Jemand der süchtig ist, wird diese Krankheit sein Leben lang mit sich tragen. Daher ist nach der Behandlung eine gezielte und im besten Fall langfristige Prävention essentiell. Sonst droht vielen Süchtigen ein Rückfall. Auch in diesem Bereich ist die Kunst ein hervorragendes Mittel, um in der Suchttherapie zum Einsatz zu kommen.
Besonders wichtig ist eine langfristige Nachbearbeitung und Präventionsarbeit ebenfalls aus dem Grund heraus, dass viele Suchterkrankungen nicht alleine stehen. Zu einer Alkohol- oder Tablettensucht gesellen sich mitunter Depressionen, Angststörungen oder andere Psychosen hinzu. Um diese Übel bei der Wurzel zu packen, kann die Kunsttherapie einen entscheidenden Beitrag leisten, langfristig gesünder zu werden und zu bleiben.
Bezugspersonen helfen Halt zu finden
Wer süchtig ist, der verliert oft den Bezug zu seinen Mitmenschen – sein komplettes Leben dreht sich nur noch um seine persönliche Droge. Sobald der PatientIn einsichtig ist, findet er oder sie sich oft alleine wieder. Daher ist zum einen ein guter Psychologe mit einer fundierten Kunsttherapie-Ausbildung, die Sie zum Beispiel an den campus naturalis-Akademien absolvieren können, in der Suchtbehandlung von großer Bedeutung. Daneben werden in der Therapie die Beziehungen zu unterschiedlichen Bezugspersonen aufgearbeitet. Diese helfen während der Therapie und nach der Behandlung ganz entscheidend die Sucht zu überwinden und nicht Rückfällig zu werden.
Wichtig für den PatientIn: Die Heilung muss gewollt sein
Egal um welche Form der Behandlung es geht, ob es sich um Kunst oder Musik in der Suchttherapie handelt, der entscheidende Punkt für den Erfolg einer solchen Maßnahme ist der oder die PatientIn selbst. Geheilt werden kann nur, wer seine Sucht selbst anerkennt. Daher ist es wichtig, auch in Zukunft einen öffentlichen Dialog über Suchterkrankungen und deren Folgen zu fördern. Nur wenn diese Krankheiten als solche anerkannt und enttabuisiert werden, kann möglichst vielen Betroffenen geholfen werden.
* Quelle: Statista
** Quelle: Meine-Gesundheit.de
*** Quelle: Caritas.de
**** Quelle: Bundesgesundheitsministerium.de
***** Quelle: Drogenbeauftragte.de