Diagnose psychische Erkrankung: Was ist normal?
Der Grat zwischen sich selbst optimieren, psychischen Problemen und einer psychischen Erkrankung ist heute sehr schmal. Die Leistungsgesellschaft zwingt viele Menschen, sich kontinuierlich zu verbessern. Oft bis zur kompletten Erschöpfung. Die Diagnose „psychische Erkrankung“ ist dann nicht weit. Allerdings wird das vermehrt zum Problem, da die Trennlinien immer mehr verwischen: Zwischen Stress und Hochgefühl kommt die Selbstwahrnehmung meist zu kurz. Ein weiteres Problem ist, dass viele Menschen sich nicht trauen, mit ihrem Arzt über psychische Erkrankungen zu sprechen.
Welche Anzeichen für seelische Krankheiten gibt es? Wie lassen sich psychische Erkrankungen diagnostizieren? Und welche Möglichkeiten haben Sie, sich selbst und anderen zu helfen? All diesen Fragen gehen wir im Folgenden nach.
Was ist eigentlich eine psychische Erkrankung?
Eine psychische Erkrankung oder Störung beschreibt in ihrer Diagnose häufige, intensive und langanhaltende Abweichungen vom normalen Erleben, dem Befinden und dem Verhalten eines Menschen. Dazu gehören beispielsweise1:
- Depressionen
- Manisch-depressive Erkrankungen
- Angststörungen
- Schizophrenie
Diese Erkrankungen werden in der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) als psychische Störungen und Verhaltensstörungen gelistet . Seit den 1980er Jahren werden psychische Störungen in dem von der American Pychiatric Association veröffentlichten Standardwerk „Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen“ (DSM) zusammengefasst. Bis heute wurde dieses Handbuch immer wieder überarbeitet und erweitert. Es ist der Versuch die Diagnosen von psychischen Erkrankungen mit standardisierten Definitionen und Kriterien für Ärzte und Psychotherapeuten zu erleichtern. Psychische Krankheiten sollen damit einfacher erkannt werden. 2013 wurde das Manual zuletzt aktualisiert2. Kritiker dieser Klassifizierungen merken an, dass dadurch das individuelle in der Diagnostik verloren geht. Ein weiterer Kritikpunkt ist ebenfalls, dass viele Menschen, die gesund sind, plötzlich anhand von einfachen Kriterien künstlich krank gemacht werden. Denn nicht immer ist ein anhaltender Höhenflug gleichzeitig auch eine manische Phase.
Aus der Diagnose einer psychischen Krankheit heraus entsteht also in vielen Fällen bereits das Problem: Es wird dabei immer von der Abweichung von einer Norm, vom „Normalen“ gesprochen. Doch was genau ist eigentlich normal?
Zwischen Krankmachen und Motivieren
Um dieses Problem zu lösen, unterscheiden Experten zunächst nach der Schwere der psychischen Belastung. Als reine psychische Belastung gilt zunächst, was auf unser Wohlbefinden einwirkt. Dieser Prozess wird psychische Beanspruchung genannt und ist grundsätzlich erstmal als neutral zu bewerten. Ursachen können sein:
- Stress im Alltag und auf der Arbeit
- Der Verlust eines geliebten Menschen
- Ängste
- Andere grundlegende Veränderungen im Leben
Je nach Persönlichkeit und individueller geistiger und körperlicher Verfassung können diese Einflüsse anders wirken. So ist es beispielsweise möglich, dass Stress ein nie dagewesenes Potenzial entfaltet. Entscheidend dafür ist allerdings, dass Sie diesen Stress abbauen , wenn die Aufgabe erfüllt ist. Damit ist diese Art der psychischen Beanspruchung als positiv anzusehen. Sie ist gewissermaßen kurzfristig ein Motor für uns.
Aus dem Gleichgewicht geraten
Genauso schnell kann eine psychische Beanspruchung allerdings auch ins Negative kippen. Wenn zum Beispiel die um sich greifende Selbstoptimierung des Einzelnen, die Diät oder der Sportwahn zur Magersucht wird, liegt ganz klar eine negative bis sogar gesundheitsgefährdende Auswirkung vor. Menschen, die durch eine Belastung so aus dem Gleichgewicht geraten, verlassen den Arzt in der Regel mit der Diagnose „psychische Belastung oder Erkrankung“. Typische Symptome und Anzeichen dafür sind beispielsweise:
- Die Person kann Gefühle nicht frei empfinden und zulassen
- Angst, Traurigkeit oder extreme Gefühlsschwankungen bestimmen das Leben
- Die Konzentrations- und Handlungsfähigkeit ist stark eingeschränkt
- Physische Auswirkungen wie Verspannungen, Müdigkeit, Schlaflosigkeit oder Schmerzen
Feingefühl mit Blick auf den Einzelnen
Bevor Ärzte oder Heilpraktiker eine Diagnose zu einer psychischen Erkrankung abgeben, müssen sie daher genau abwägen. Personen, die unter solchen negativen Belastungsauswirkungen stehen, leiden unter ihrem Denken, Fühlen oder Handeln. Sie fühlen sich anders als alle anderen. Genau diese Empfindungen werden zunächst in einem Fragebogen oder einem persönlichen Gespräch abgeklopft. In diesem Zuge wird auch auf die Krankheitshistorie und Lebensgeschichte eingegangen. Erst danach kann aus dem Prozess heraus eine Diagnose für eine psychische Erkrankung erstellt und Unterstützung bei der Überwindung der Krankheit gegeben werden.
Problem Diagnose
Oft ist die Diagnose einer psychischen Erkrankung keine Erleichterung für den*die Klient*in. Sie beunruhigen, da sie für viele Menschen immer noch einer Brandmarkung gleichkommen. In der Gesellschaft werden psychische Erkrankungen heute immer noch oft falsch wahrgenommen – sei es durch Fehlinformation oder Vorurteile. Und dass, obwohl heute mehr als jeder vierte Erwachsene viele Kriterien für solch eine Erkrankung erfüllt. Rund 18 Millionen diagnostizierte Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen leben derzeit in Deutschland3. Wenn Sie so eine Diagnose bekommen und Ihnen dabei unwohl ist, dann sollten Sie unbedingt mit einem Therapeuten darüber reden. Dieser kann Ihnen helfen, die Diagnose anzuerkennen und die Krankheit in der Therapie zu überwinden.
Da das Thema der Diagnose von psychischen Erkrankungen in der Fachwelt ein heikles ist, legen wir bei campus naturalis bereits während der Ausbildung großen Wert darauf. In unserer Heilpraktiker*innen Ausbildung erhalten Sie umfangreiches Wissen kombiniert mit praktischen Übungseinheiten. Dabei werden die klassischen psychologischen Methoden mit einer ganzheitlichen Betrachtung des Individuums kombiniert. Somit lassen sich individuelle, auf den*die Klient*in abgestimmte Wege festlegen.
Fazit: Umdenken in der Gesellschaft und genaues Abwägen bei der Diagnose von psychischen Erkrankungen
Zwischen Eigensinn und Persönlichkeitsstörung, zwischen Hochgefühl und Manie und zwischen Traurigkeit und Depressionen liegen in vielen Fällen nur wenige Schritte. Eine ganzheitlich orientierte Diagnose von psychischen Erkrankungen, die alle Aspekte des Individuums betrachtet, ist immer notwendig. Um dieses Konzept für alle Erkrankten anwendbar zu machen, muss es allerdings auch in der Gesellschaft hinsichtlich psychischer Störungen und Erkrankungen ein Umdenken geben. Für diese Art von Erkrankungen sensibilisieren statt sie zu pathologisieren – das ist ein Ansatz, der für Betroffene langfristig heilend ist.
Quelle1: psyga.info
Quelle2: msdmanuals.com
Quelle3: dgppn.de