Psychische Erkrankungen sind 2018 die Nummer 1 der Fehltage in Unternehmen: Eine Analyse
Stress, Nervenzusammenbrüche und schließlich Burnout – so stellen wir uns psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz im Extremfall vor. Aber diese Vorstellungen zeigen nur die Spitze des Eisbergs: Schon auf dem Papier wird deutlich, dass es sich bei dem Thema Fehltage durch Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz in unserer Gesellschaft schon lange nicht mehr um Einzelfälle handelt. So hat sich die Zahl der Krankentage aufgrund solcher Probleme in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt – bis hin zur Frühverrentung aufgrund psychischer Störungen.
Das Bundesarbeitsministerium gab, auf eine Anfrage der Linksfraktion hin, aktuelle Zahlen bekannt: Während 2007 noch 48 Millionen Fehltage aufgrund psychischer Belastungen zu verbuchen waren, sind es bis 2017 bereits 107 Millionen Ausfalltage*. Das an sich sind schon alarmierende Daten. Diese werden vom jährlich erscheinenden Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse von 2019 nochmal unterstrichen. Fast jeder fünfte Fehltag ist psychisch bedingt. Was sind die Ursachen? Welche Rolle sollten dabei die Unternehmen spielen? Und welche Möglichkeiten gibt es, selbst aktiv zu werden?
Aktuelle Zahlen und Fakten
Der Gesundheitsreport 2019 belegt: Psychische Erkrankungen sind heute der Grund Nummer eins für Fehltage in Unternehmen bei Versicherten der Techniker Krankenkasse. Dabei sind Frauen deutlich gefährdeter als Männer. So waren im Jahr 2018 rund 350 Fehltage auf psychische Erkrankungen und Verhaltensstörungen zurückzuführen. Bei Männern waren es 215 Tage. Auch die Krankheitsdauer ist durchschnittlich länger als bei anderen Erkrankungen. Bis 2014 stiegen diese Zahlen rapide an. Danach stagnierten Sie eine Weile. Im Vergleich zum Vorjahr 2017 sind sie nochmal auf einem überaus hohen Wert gestiegen – das sollte ein Grund zur Sorge sein.
Auffällig sind auch die Spätfolgen dieser Fehltage aufgrund von psychischen Erkrankungen: 13,5 Prozent der Erwerbstätigen scheiden vorzeitig aus dem Arbeitsleben aus. Die Diagnose ist in vielen Fällen klare Arbeitsunfähigkeit durch psychische Belastung oder Burnout. Laut Dr. Jens Baas, dem Vorstandsvorsitzenden der Techniker Krankenkasse, ist das für uns alle ein Indiz zum Handeln. So müsse genau analysiert werden, wie die Situation von Arbeitnehmern verbessert werden könne. Gerade mit Hinblick auf den Demografischen Wandel ist es in unserer Gesellschaft wichtiger denn je, die Gesundheit – egal ob körperlich oder psychisch – lange aufrecht zu erhalten. Fehltage, die durch psychische Erkrankungen ausgelöst werden, sind schließlich keine Einzelerscheinungen mehr. Es werde zwar schon viel gemacht, um Berufstätige zu unterstützen, es gebe allerdings noch viel Luft nach oben.
Welche psychischen Erkrankungen sorgen für die meisten Fehltage in Unternehmen?
Der Gesundheitsreport der TK bezieht sich in seiner Erhebung auf die allgemein gültige ICD-10-Klassifikation für psychische Erkrankungen. Diese umfasst alle möglichen Ausprägungen von geistigen und körperlichen Beschwerden und klassifiziert sie nochmals näher. Die wichtigsten psychischen Erkrankungen, die auch für einen Großteil der Fehlzeiten von Angestellten in Unternehmen verantwortlich sind, sind hier aufgelistet:
- Essstörungen
- Schlafprobleme
- Angststörungen
- Demenz
- Depressionen bis hin zur Schizophrenie
- Affektive Störungen wie manische Depressionen
Burnout ist zwar offiziell noch nicht als psychische Krankheit innerhalb dieses Klassifikationsschemas benannt, allerdings findet es sich unter dem Punkt „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ unter der Zusatzziffer Z73.0. Damit umfassen die psychischen Erkrankungen, die Fehltage in Unternehmen auslösen, nicht nur die Extremfälle wie Demenz oder Schizophrenie. Gerade die für unsere heutige Arbeitswelt typischen Erkrankungen wie Schlafstörungen, Burnout oder Depressionen liegen ganz weit mit vorne.
Die ersten Anzeichen erkennen: Wie äußern sich diese psychischen Erkrankungen?
Die Gefährdungsbeurteilung von psychischen Erkrankungen, die bei Angestellten zu Fehltagen führen, ist als relativ hoch einzustufen. Doch wie erkennen Sie die ersten Anzeichen und Warnsignale? Das sind die typischen Beschwerden, die bereits die Alarmglocken läuten lassen sollten:
- Sie fühlen sich niedergeschlagen und deprimiert. Ihre Stimmung ist dauerhaft im Keller.
- Dinge, die Ihnen vorher Freude bereitet haben, interessieren Sie nicht mehr oder bereiten Ihnen gar zusätzlichen Stress.
- Sie sind dauerhaft müde und fühlen sich antriebslos.
- Neue Aufgaben oder Verantwortlichkeiten machen Ihnen Angst und Sie fühlen sich überfordert.
Bei Psychosen reihen sich außerdem Phasen der Ekstase an Abschnitte der totalen Niedergeschlagenheit. Spätestens dann ist der Gang zum Facharzt unabdingbar.
Ursachensuche: Was beeinflusst diese Ausfälle?
Haben sich Risikofaktoren für psychische Erkrankungen in unserer Gesellschaft verändert? Ganz klar, ja. Fast jeder kennt heutzutage diese Situationen am Arbeitsplatz: Stress durch einzuhaltende Deadlines. Vorgesetzte, die das Maximum verlangen. Versagensängste und Probleme im persönlichen Umfeld oder der Familie verschlimmern die Situation zusätzlich. Der Leistungsdruck innerhalb unserer Gesellschaft ist wohl einer der größten Faktoren für die Zunahme an psychischen Erkrankungen und daraus resultierenden Fehltagen. Bei vielen Arbeitnehmern wird die Belastungsgrenze enorm strapaziert, was im schlimmsten Fall zum Totalausfall führt.
Allerdings sollte dabei immer im Hinterkopf behalten werden: Die Gründe für eine individuelle psychische Erkrankung sind sehr vielfältig und sollten jeweils individuell mit einem ausgebildeten Experten bestimmt werden. Dieser kann dann auch Heilungswege und Empfehlungen aussprechen.
Folgen für Unternehmen bei Fehltagen durch psychische Erkrankungen ihrer Mitarbeiter
Mit der wachsenden Zahl an psychischen Belastungen bis hin zu Erkrankungen am Arbeitsplatz und den damit einhergehenden Fehltagen steigen auch die Kosten für Arbeitgeber an. So gilt es nicht nur die Versorgung dieser Patienten sicherzustellen, sondern auch die Produktionsausfallkosten und der Ausfall an Bruttowertschöpfung zu begleichen. Statistiker sprechen bei letzterem von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens: Das waren 2017 etwa 21,5 Milliarden Euro** .
Als Unternehmer aktiv und präventiv arbeiten
Rund um psychische Erkrankungen existieren in unserer Gesellschaft immer noch viele Tabus. Wer als Arbeitgeber allerdings aktiv dafür sorgt, dass diese Tabus intern aufgehoben werden, ist auf dem richtigen Weg. So kann Betroffenen schon frühzeitig geholfen werden. Prävention und Gesundheitsförderung sind das Stichwort, weitere Stigmatisierung muss vermieden werden.
Immer mehr Unternehmer setzen auf gesundheitsfördernde Maßnahmen wie beispielweise:
- Flexible Arbeitszeitmodelle
- Flache Hierarchien
- Aufgelockerte Büros und Arbeitsplätze
- Ausgleichangebote wie Sportkurse oder gemeinsame Events
Daneben gibt es auch die Möglichkeit einen Stressbewältigungscoach einzusetzen. In unserer Ausbildung zum Fachcoach für Stressbewältigung und Burnout-Prävention zum Beispiel erlernen Sie Strategien, um psychische Erkrankungen und damit Fehltage gezielt zu vermeiden. Oft ist auch schon ein geschulter Mitarbeiter ausreichend. In Seminaren zum Beispiel zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement werden Strukturen hinterfragt und gezielt verbessert – zum Wohle aller Arbeitnehmer.
Selbst Initiative ergreifen
Wenn Sie selbst aktiv etwas für Ihre eigene psychische Gesundheit tun möchten, dann können Sie schon zu einfachen Mitteln greifen. Strategien sind beispielsweise:
- Klare Grenzen setzen und diese dann auch einhalten.
- Regelmäßigen Ausgleich schaffen beispielsweise mit bewussten freien Tagen, Sport oder einem Hobby.
- Das familiäre Umfeld stärken und Zeit mit der Familie verbringen.
- Einen gesunden Schlafrhythmus einhalten, um Überbelastung von vorneherein zu vermeiden.
Mit diesen Punkten können Sie bereits viel bewirken, um Fehltage auf Grund von psychischen Erkrankungen zu vermeiden. Wenn Sie bei Kollegen Anzeichen von Überbelastung oder Seelenleiden bemerken, scheuen Sie sich ebenfalls nicht auf sie zuzugehen.
* QUELLE: zeit online-Artikel „Zahl der Fehltage wegen psychischer Probleme seit 2007 verdoppelt“ März 2019
**QUELLE: psyGA Daten und Fakten psychische Gesundheit