“Schatz, mach du mal die Kinder!“ Rollenverteilung in der Familie in Zeiten von Corona
Wie oft haben Sie von Ihrem Partner, Ihrer Partnerin diesen Satz in den letzten zwei Jahren gehört: „Schatz, mach du doch mal die Kinder, ich habe noch einen Call!“? Kommt Ihnen sehr bekannt vor? Dann sind Sie damit garantiert nicht alleine. Die Corona-Pandemie und all ihre Auswirkungen – von Home-Office bis hin zu Kontaktbeschränkungen und geschlossenen Kitas und Schulen – haben zum Teil einen großen Einfluss auf die Familien in Deutschland und ganz speziell auf die Rollenmodelle darin genommen. Gleichzeitig befinden sich die klassischen Rollenmodelle in der modernen Gesellschaft sowieso schon im totalen Wandel. Wir untersuchen, ob und wie sich die Rollenverteilung in Familien verändert hat, welche Auswirkungen das für Mütter und Väter hat und welche Schlussfolgerungen wir daraus ziehen können.
Klassische Aufgabenverteilung vs. moderne Rollenverteilung in der Familie
Vielleicht kennen Sie das noch von Ihren Großeltern: Lange Zeit galten in der Familie strikte Rollenverteilungen. Der Mann, der liebende Familienvater, hat dafür zu sorgen, dass die finanzielle Sicherheit seiner Familie bestehen bleibt. Sprich, er geht arbeiten. Die Frau, die in der Familie die Rolle der liebenden Mutter und Hausfrau einnimmt. Sie sorgt sich um ein sauberes Familienheim, umsorgt ihren Ehemann und kümmert sich um die Kinder. Wir wissen, dieses klischeebehaftete Bild der Rollenverteilung innerhalb von Familien ist (Gott sei Dank) längst überholt.
In der modernen Familie des 21. Jahrhunderts darf jeder alles sein – so scheint es zumindest. Es gibt Hausmänner, die der Frau die finanzielle Versorgung überlassen. Es gibt Patchwork-Familien, in der jeder alles übernimmt. Es gibt Alleinerziehende und gleichgeschlechtliche Paare… Die Liste könnten wir ewig so fortsetzen. Fakt ist, die Gesellschaft hat heute andere Ansprüche an Mütter und Väter sowie deren Rollenverteilung in der Familie, egal ob es um die Kindererziehung oder Job und Karriere geht.
Herausforderungen heute
Gerade in Krisenzeiten zeigt sich, wie stabil solche Rollenverteilungen in der Familie heute wirklich sind. Die Corona-Pandemie war und ist da wohl der größte Einschnitt in unser aller Leben in den letzten Jahren. Was bedeutet das konkret? Eine repräsentative Elternbefragung vom April und Mai 2020 durchgeführt vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend kommt zu diesem Bild:
Gerade in Krisenzeiten zeigt sich, wie stabil solche Rollenverteilungen in der Familie heute wirklich sind. Die Corona-Pandemie war und ist da wohl der größte Einschnitt in unser aller Leben in den letzten Jahren. Was bedeutet das konkret? Eine repräsentative Elternbefragung vom April und Mai 2020 durchgeführt vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend kommt zu diesem Bild1:
- Die Rollenverteilungen innerhalb der Familien ist in Deutschland mehrheitlich nicht auf traditionelle Modelle zurückgefallen.
- Die Neuorganisation der Kinderbetreuung war in vielen Familien das zentrale Thema: Dabei hatten 55 Prozent der Eltern generell Schwierigkeiten, das alles zu managen. Besonders die Alleinerziehenden hat es getroffen (65 Prozent berichten von Problemen).
- Mütter reduzierten ihre Arbeitszeit im Schnitt etwas häufiger (22 Prozent), Väter aber ebenfalls (18 Prozent).
Besonders die Arbeitszeitreduzierung fällt bei Müttern, die in Deutschland bereits vor der Pandemie in der Regel weniger zum Einkommen der Familie beitrugen, gravierender aus. Jede vierte Mutter, die Stunden reduziert hat, war entweder stundenweise (25 Prozent) oder gar nicht mehr erwerbstätig (22 Prozent).
Nicht für alle, aber für einige: Zwei Jahre Dauerstress-Zustand
Diana Jentzsch, Familienberaterin mit eigener Praxis, stellt fest, dass die Überforderung der Eltern pandemiebedingt zugenommen hat. Sie nennt die Corona-Zeit bisher zwei Jahre im Dauerstress-Zustand und sieht die Auswirkungen in ihrer Praxis2:
- Eltern sind dauerhaft angespannt, da sich der reguläre Rhythmus durch Corona verschoben hat (Urlaub fällt weg, Kinderbetreuung 24/7)
- Kurzzeitige Überlastungen gehen in langfristige Ermüdungserscheinungen und schlussendlich in schwerwiegende Familienprobleme über
- Eltern erkennen nicht mehr, dass sie überfordert sind, das führt in extremen Fällen bis hin zum Burn-out
Die Expertin betont auch, dass es in vielen Fällen nicht an der allgemeinen Rollenverteilung innerhalb der Familie liegt, sondern vielmehr am Perfektionismus der Eltern. Diese hätten unheimlich hohe Erwartungen an sich selbst und realisieren irgendwann nicht mehr, dass es doch gar nicht so schlecht läuft.
Das können Sie tun, wenn es Ihnen zu stressig wird
Sie haben sich gerade wiedergefunden? Dann haben Sie bereits den ersten Schritt aus dem Hamsterrad getan – Sie sind sich dessen bewusst geworden. Oftmals gelingt es Ihnen als Mutter oder Vater nicht vollkommen, die Anspannung hinter sich zu lassen. Schließlich haben Sie gewisse Verpflichtungen Ihrem Nachwuchs gegenüber. Diese Tipps können aber trotzdem schon etwas bewirken:
- Sprechen Sie mit Ihrem/Ihrer Partner*in über die Rollenverteilung und die einzelnen Aufgaben in der Familie, treffen Sie gemeinsame Entscheidungen. Dazu gehören auch Freiräume für den/die Einzelne*n, zum Beispiel hat eine/einer an einem Nachmittag frei um zum Sport zu gehen. Denn auch Eltern dürfen eine Work-Life-Balance haben!
- Seien Sie auch Ihrem Kind gegenüber ehrlich: Sie müssen nicht immer die Power-Mama oder der Superhelden-Papa sein. Kinder merken sowieso, dass etwas nicht stimmt. Auch wenn Kinder noch klein sind, dürfen Sie sagen, es ist gerade etwas viel. Wichtig ist, dass das was wir als Eltern tun und sagen auch zusammenpasst.
- Verabschieden Sie sich von Ihren hohen Erwartungen an sich selbst: Wir machen uns selbst den größten Stress, wenn es um unsere Kinder geht. Befreien wir uns nicht nur von eingerosteten Rollenverteilungen innerhalb der Familie, sondern auch von unseren zu hohen Ansprüchen an uns selbst!
- Etwas anders machen: Wenn Sie sich beispielsweise mit dem Haushalt überfordert fühlen, dann stemmen Sie ihn doch gemeinsam mit den Kindern. Wäsche einsammeln, Tisch decken, abräumen – das geht alles miteinander und mit einer kleinen Prise Witz macht es sogar noch Spaß.
- Planen Sie lockerer: Schauen Sie nicht so kleinteilig auf Ihre Woche und sehen den ganzen Berg an Arbeit vor sich. Sondern fokussieren Sie sich darauf, was Sie heute noch erledigen müssen. Was geht auch nächste Woche noch? Was kann noch länger warten? Mit Prioritätenverteilung auch innerhalb der Rollen in der Familie fällt die Spontanität auch wieder leichter.
Sollte das alles nicht mehr helfen, dann sollten Sie sich professionelle Hilfe holen. Beispielsweise bei einer/einem Therapeut*in mit einer Ausbildung in systemischer Einzel-, Paar- und Familientherapie oder belegen Sie selbst unser Seminar zum/zur Kursleiter*in für Stressbewältigung. Damit können Sie nicht nur Ihrer Familie, sondern auch anderen helfen, wieder in Balance zu kommen.
Es geht weiter
Fakt ist, in Deutschland hat sich durch die Corona-Pandemie alles etwas verzerrt – egal ob das im Berufs- oder im Familienleben ist. Tatsächlich scheint es aber so zu sein, dass die klassischen, traditionellen Rollenverteilungen innerhalb der Familien sich bereits vor Jahren angefangen haben zu wandeln. Hin zu einer moderneren Verteilung, die jetzt durch die Herausforderungen der Pandemie auf die Probe gestellt wurden. Generell sprechen die Zahlen und auch die Entwicklungen aber nicht dafür, dass sich die Rollenverteilungen in Familien zurückgedreht haben – vielmehr versuchen wir gerade, unsere Rollen neu zu ordnen und zu festigen.