Schulschließungen und deren Auswirkung auf Kinder & Jugendliche: Was bewirken sie tatsächlich?
Hohe psychische Belastung, Unsicherheit bis hin zur Angst – was uns Erwachsenen in der Corona-Krise bereits einen Schauer über den Rücken laufen lässt, das trifft Kinder und Jugendliche nochmal härter. Homeschooling und sich nicht mit Freunden treffen zu dürfen, sorgt bei Eltern und Schülern für ordentlich Sprengstoff. Streit in der Familie durch den Lagerkoller bis hin zu ganz essentiellen Auseinandersetzungen sind in vielen Familien an der Tagesordnung.
Experten sind sich einig, die Beschränkungen und besonders die Schulschließungen und Notbetreuungen haben Auswirkungen auf die Psyche von Kindern und Jugendlichen. Welche Auswirkungen sind das? Welche Folgen lassen sich bereits jetzt verzeichnen? Und wie können Eltern ganz gezielt psychischen Folgen entgegensteuern? Mehr erfahren Sie in diesem Artikel.
DAK-Studie zum Homeschooling
Die DAK Gesundheit erstellte, zusammen mit dem Forsa-Institut, bereits im Mai eine Studie zu den Auswirkungen der Schulschließungen für Kinder und Jugendliche1. Für die repräsentative Erhebung wurden insgesamt 1.005 Erwachsene und jeweils ein zugehöriges Kind im Alter von zehn bis 17 Jahren befragt. Die Untersuchung ist die erste, die die tatsächlichen Folgen des schulischen Lockdowns beleuchtet.
Die Ergebnisse sind eindeutig: Emotionale Schwierigkeiten treten vor allem bei jüngeren Kindern auf. Ausgedrückt werde das vor allem in verringertem Wohlbefinden. 37 Prozent der Kinder berichten von Stresserfahrungen; 27 Prozent von Traurigkeit. In vielen Familien gibt es deshalb oft Streit. Besonders der fehlende Kontakt zu Gleichaltrigen schlägt hier zu Buche. Das Ergebnis der Studie: Jedes dritte Kind leidet unter psychosomatischen Beschwerden wie Bauch- oder Kopfschmerzen aber auch Rückenschmerzen.
Nicht nur Kinder stehen unter großem Druck, auch Eltern sind betroffen: Rund 90 Prozent zeigen sich aufgrund der potentiellen Auswirkungen besorgt. Besonders Mütter sind betroffen. So ergab die DAK-Studie, dass circa drei von zehn Befragten unter psychosomatischen Symptomen wie Schlafstörungen, Bauch-, Rücken oder Kopfschmerzen leiden. Und das täglich.
- 52 Prozent der Mütter fühlen sich erschöpft
- 49 Prozent gestresst
- 31 Prozent leiden unter Schmerzen
Zum Vergleich: Die Väter fühlen sich zu 39 Prozent erschöpft, 45 Prozent sind gestresst, 23 Prozent leiden unter Schmerzen.
Schulschließungen – Ältere Kinder und Jugendliche kommen besser klar
Interessant ist, dass es in allen Altersgruppen Kinder und Jugendliche gibt, denen die Schulschließungen nichts ausmachen – die Auswirkungen können in dieser Gruppe nicht bestätigt werden. Die 16- bis 17-Jährigen betrifft das besonders: 37 Prozent der Jugendlichen geben an, dass ihnen das Homeschooling wenig ausmacht, sie fühlen sich sogar teilweise besser als zuvor. Das ist aber nur ein Bruchteil. Auch in der ältesten untersuchten Gruppe geben 28 Prozent an, sich schlechter zu fühlen.
Experten fühlen sich bestätigt
Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte fühlt sich durch die Ergebnisse der Studie bestätigt. Besonders auf Streitigkeiten innerhalb der Familie blicken sie besorgt. „Wir […] erleben in unseren Praxen täglich, wie sehr gerade jüngere Kinder unter interfamiliären Streitigkeiten leiden“, so Präsident Dr. Thomas Fischbach. Mit Hinblick auf die Lockerungen und Schulwiederöffnungen seien die Ergebnisse der Studie essentiell.
Welche konkreten Auswirkungen und Folgen haben Schulschließungen für Kinder?
Die Ergebnisse der Studie zeigen es, dass die Schulschließungen nicht komplett ohne Auswirkungen für unsere Kinder und Jugendlichen geblieben sind. Doch was bewirkt so ein Lockdown in den Köpfen unserer Kinder wirklich? Die Entwicklungspsychologin Anja Karlmeier sagt, dass die Hirnentwicklung in direktem Zusammenhang mit der sozialen und gesellschaftlichen Entwicklung des Kindes steht. Das heißt, welche Möglichkeiten ihnen Familie, Schule und Freizeit bieten. Fällt das weg, kann das schwerwiegende Folgen haben2:
- Die Entwicklung der Selbstständigkeit wird unterbrochen
- Bisherige Bindungen werden schwächer oder gehen verloren
Besonders Kinder und Jugendliche aus sozial schwächeren Familien sind gefährdet: Eine Zunahme der Gewalt in den Familien, der Verlust von Bezugspersonen wie Lehrer*innen oder Trainer*innen und der Ausstattungsmangel was technische Geräte angeht, schlagen hier zu Buche3. Sobald die Eltern den Bezug zu den Kindern verlieren oder ihren Umgang mit Kindern in der Corona-Krise nicht einfühlsam begleiten, kann das große negative Auswirkungen haben. Ob mit oder ohne Vorerkrankungen wie ADHS oder Lernschwierigkeiten, Kinder und Jugendliche stehen mit den Schulschließungen psychisch vor großen Herausforderungen.
Die Folgeprobleme, die als Auswirkung der Schulschließung bei diesen Kindern und Jugendlichen entstehen, zeigen sich schleichend:
- Motivationslosigkeit
- Vereinsamung
- Überforderung mit dem Lernstoff
- Ängste und Depressionen
Der Schritt hin zu einer psychischen Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen ist damit nicht mehr weit. Genau das gilt es zu vermeiden, daher plädieren immer mehr Expert*innen und Jugendhilfen darauf, die Kitas und Schulen dauerhaft zu öffnen. Der Sozialverband VdK fordert daher, dass es umfassende Gesundheitskonzepte für Kitas und Schulen geben muss, um den Kindern und Jugendlichen möglichst schnell wieder ein Stück Normalität zurückzugeben4.
Was können Sie als Eltern tun?
Die Familie hat generell großen Einfluss darauf, wie sich Kinder und Jugendliche entwickeln. Besonders in Krisen-Zeiten ist daher ein guter Zusammenhalt innerhalb der Familie wichtig. Hören Sie Ihrem Kind zu. Ganz besonders wichtig ist das, wenn Ihr Kind von sich aus über seine Sorgen und Nöte reden möchte.
- Geben Sie eigene Ängste zu und nehmen Sie damit den Kindern die Unsicherheit
- Schränken Sie den Kontakt Ihrer Kinder mit Nachrichten ein, die verstörend sein könnten.
- Kuscheln und Umarmungen erwünscht – Körperkontakt stärkt die Bindung
- Finden Sie gemeinsame Strukturen für den Tag: Frühstücken, Lern-/Arbeitszeit, Spielezeit
Ihnen als Eltern kommt, gerade in Zeiten von Schulschließungen, eine große Rolle zu: Veränderungen an ihren Kindern, die Auswirkungen der Schulschließung sein können, können Sie selbst erkennen. Symptome sind zum Beispiel:
- Das Kind zieht sich zurück und ist nicht mehr wirklich zu etwas zu motivieren
- Ihr Kind schläft nicht mehr durch und klagt über Müdigkeit
- Flucht ins Internet
- Regeln werden kontinuierlich missachtet
Wenn diese Symptome vermehrt auftreten, dann sollten Sie sich an Ihren Hausarzt oder eine*n Kinderpsycholog*in für professionelle Hilfe wenden.
Wie kann man selbst professionell helfen?
Besonders in solchen Krisenzeiten wird deutlich, wie wichtig Menschen mit einer passenden medizinischen und psychologischen Ausbildung für die Gesellschaft sind. Vielleicht spielen auch Sie schon länger mit dem Gedanken, sich beruflich zu verändern? Wie wäre es mit einer umfassenden Ausbildung zum*zur Kinder- und Jugendtherapeut*in ? Sie werden geschult, um Krisensituationen wie ganz aktuell die Auswirkung von Schulschließungen bei Kindern und Eltern aktiv zu begleiten und Lösungswege zu finden. Die passenden Kommunikations- und Visualisierungstechniken erhalten Sie in unserem Seminar Lehrtherapeutische Selbsterfahrung mit systemtherapeutischem Schwerpunkt. Mit dem Wissen, das Sie an unserer campus naturalis Akademie an die Hand bekommen, können Sie aktiv Familien unterstützen und Ihrem Wunsch nach einem helfenden Beruf mit guter Zukunftsperspektive nachkommen.
Gut durch die Krise
Wichtig ist, dass Sie sich dabei der Gefahren und Auswirkungen der Schulschließungen für Ihr Kind bewusst sind. Allerdings sollten Sie über die Sorge darüber nicht das eigentliche Ziel aus den Augen verlieren: Ihrem Kind die bestmögliche Chance zu bieten, stabil durch die Krise zu kommen. Nehmen Sie sich ganz bewusst der Probleme an und praktizieren Sie ein liebevolles, sich gegenseitig unterstützendes Familienleben. Bis Schüler*innen, Eltern und Lehrerkräfte wieder komplett zur Normalität mit klassischem Präsenzunterricht und Schulbetrieb zurückkehren können, ist es noch ein weiter Weg.
Quelle1: dak.de
Quelle2: zeit.de
Quelle3: zeit.de
Quelle4: vdk.de