Gehirngerechtes Lernen – was ist das und wie können wir es anwenden?
Das menschliche Gehirn ist wohl das faszinierendste Organ, das wir in unserem Körper haben. Es sorgt dafür, dass wir gehen, denken, sprechen und all das machen können, was uns als Menschen ausmacht. Gerade bei Kindern und Jugendlichen befindet sich unser Gehirn noch in der Entwicklung: Die Welt erkunden, Dinge lernen, in die Schule gehen – unsere innere Welt ist dabei immer im Wandel. Gehirngerechtes Lernen greift genau diese Prozesse auf und sorgt dafür, dass wir besser lernen können. Egal in welchem Alter. Was genau gehirngerechtes Lernen ist, wie es funktioniert und wo es in unserem Alltag am besten zum Einsatz kommt, dass erfahren Sie hier in diesem Artikel.
Was ist gehirngerechtes Lernen eigentlich?
Gehirngerechtes Lernen bedeutet zunächst, dass wir die Art und Weise, wie wir lernen, unserem Gehirn anpassen. Erkenntnisse aus der Hirnforschung für die Didaktik und Sprachen lernen bilden die Basis dieser Lernmethode. Die 2011 verstorbene Bestsellerautorin Vera F. Birkenbihl1 hat diese Lernmethode mitbegründet. Sie entwickelte beim Sprachen lernen gehirngerechte Lernmethoden und Übungen, die ihr dabei halfen, die Kapazitäten des Gehirns besser zu nutzen. Schlussendlich bleibt mehr hängen als bei purem Frontalunterricht, so Birkenbihl.
Gehirngerechtes Lernen stimuliert dabei mehrere Gehirnbereiche gleichzeitig und sorgt so dafür, dass Informationen besser aufgenommen und gemerkt werden können – das Ziel: Dinge besser zu lernen oder generell das Lernen lernen. Die Basis für diese Lernmethode wurde vom Psychologieprofessor Roger Sperry und seiner Diversifizierung des Gehirns gelegt. Er untersuchte in seiner Forschung das Zusammenspiel und die Funktionsweisen der rechten und linken Gehirnhälfte:
- In der linken Gehirnhälfte geht es um Kreatives, unsere Vorstellungskraft und Emotionen.
- In der rechten Gehirnhälfte um Logik und das Rechnen
Die 3 Elemente von gehirngerechtem Lernen
Die Methode des gehirngerechten Lernens baut auf drei Elementen oder Grundprinzipien auf2:
- Assoziationen
- Eigenständigkeit beim Lernen
- Visualisierung
Dabei steht der Spaß am Lernen und dem Lernstoff immer im Vordergrund. Denn nur dann, wenn wir etwas als interessant erachten, können wir es optimal behalten und dann darauf aufbauen – ansonsten sind besonders Kinder schnell überfordert.
So funktioniert gehirngerechtes Lernen
Gehirngerechtes Lernen basiert auf insgesamt vier einfachen Schritten. Ziel ist es dabei, den Lernprozess in mehrere kleine Stücke zu zerlegen und die Informationen möglichst einfach unserem Gehirn zu servieren. Da die Methode ursprünglich dazu entwickelt wurde, Sprachen leichter zu lernen, verwenden wir auch hier Sprachen lernen als Beispiel.
Schritt 1: Bedeutung der Worte verstehen
Zunächst geht es beim gehirngerechten Lernen darum, Wort für Wort zu verstehen, also zu übersetzen. Das ist der Decodierungsschritt. Ziel ist es nicht, eine grammatikalisch korrekte oder gar gute Übersetzung zu erhalten, sondern erstmal die Bedeutung jedes einzelnen Wortes zu erfassen.
So geht’s: Nehmen Sie sich einen Satz vor und übersetzen Sie ganz stupide Wort für Wort. Am besten gelingt das, wenn Sie die Übersetzung direkt über oder unter das Wort notieren. Jetzt können Sie den Satzinhalt verstehen, ohne dabei auf Grammatik achten zu müssen. Ziel ist es, dass Sie bereits von Anfang an in der neuen Sprache denken und nicht stupide Vokabelpaare lernen, die im Satz ganz anders genutzt werden.
Schritt 2: Aktives Hören
Jetzt lassen Sie sich den Fremdsprachen-Text vorlesen und hören Sie aktiv zu. Dieser Schritt des gehirngerechten Lernens ist wichtig, da Sie jetzt mit Hilfe der direkten Übersetzung in Ihre Muttersprache immer wieder Pause drücken und sich einzelne Wörter im Klang vornehmen können. Dieser Schritt ist abgeschlossen, sobald Sie den Text ohne Pause verstehen können – es entstehen automatisch Bilder in Ihrem Kopf. Wörter werden direkt im Kontext verstanden und verschiedene Bedeutungen unbewusst bemerkt.
Schritt 3: Passives Hören
Dieser Schritt beim gehirngerechten Lernen ist interessant: Spielen Sie den Text in der Fremdsprache jetzt im Hintergrund in Ihrem Alltag ab. Wie die Hintergrundgeräusche eines Fernsehers. Das sorgt dafür, dass wir uns unterbewusst an die Sprache gewöhnen – an den Klang, die Sprachmelodie etc. Vergleichbar ist das mit dem Aufenthalt in einem fremden Land.
Das Ziel: Ihr Gehirn baut unbewusst bereits Nervenbahnen auf, die Ihnen später erlauben, die Sprache auch zu sprechen. So lernen übrigens Kleinkinder ihre Muttersprache. Das Gelernte bleibt viel besser im Gedächtnis.
Schritt 4: Aktiv anwenden
Jetzt geht es ans aktive Sprechen, Lesen und Schreiben der gelernten Sprache. In diesem Schritt fokussieren Sie sich nun mit einem gewissen Grundverständnis einer Sprache darauf, die Feinheiten zu erlernen. Das kann beispielsweise mit der Chor-Methode gelingen, bei der der Text gemeinsam – also im Chor – laut gesprochen wird. Das gelingt wunderbar in der Klasse, wenn Lehrer*innen gemeinsam mit der ganzen Klasse lesen. Sie können dafür ebenfalls eine Aufzeichnung verwenden und diese immer wieder ein Stück leiser stellen, sodass Sie am Schluss nur noch sich selbst hören.
Vielfältigkeit von gehirngerechtem Lernen
Gehirngerechtes Lernen erscheint Ihnen als Elternteil vielleicht zunächst als etwas komisch. Allerdings kann diese Lernform auf viele Bereiche, nicht nur das Sprachen lernen, angewandt werden – sie ist Teil des Lernen Lernens und dient unter anderem in unserem Seminar Methoden und Didaktik als ein Beispiel. Es geht dabei immer darum, den Lernstoff in kleine Häppchen zu zerlegen. Diese bauen im Idealfall aufeinander auf und werden unserem Gehirn so serviert, wie wir auf natürliche Weise lernen würden. Wir trainieren unser Gehirn statt es frontal zu überfordern. Kleine Erfolge bieten die nötige Motivation, dran zu bleiben.
Quelle1: vera-birkenbihl.de
Quelle2: lehrer-news.de