Mach es falsch und du machst es richtig – Wie können wir aus unseren Fehlern lernen?
Der Spruch ist mindestens so alt wie die Menschheit: Mach Fehler, aber lerne aus ihnen. So oder anders haben wir alle ihn schon oft in unserem Leben gehört. Oft ist ja sogar etwas dran: Kinder, die einmal den Fehler begangen haben, auf die heiße Ofenplatte zu fassen, tun das in der Regel kein zweites Mal. Sie haben aus ihrem Fehler gelernt. Aber wie steht es in unserem weiteren Leben? Im Erwachsenenleben und gerade im Job scheint es erstrebenswerter zu sein, Fehler gar nicht erst zu machen oder die eigenen Fehler gut zu verstecken. Was ist also noch dran an dem Spruch „lerne aus deinen eigenen Fehlern“? Wir gehen der Sache auf den Grund und zeigen, warum wir vielleicht alle unsere Fehler wieder etwas mehr wertschätzen sollten.
Die Fehlerkultur in unserer Gesellschaft
Wie oft haben Sie sich das schon gefragt, ob wir mit unserer Praxis, Fehler gezielt zu unterdrücken oder zu vermeiden nicht vielleicht auf dem Holzweg sind? Die repräsentative Studie1 „Gute Fehler, schlechte Fehler“, die das Scheitern im unternehmerischen Umfeld untersucht hat, belegt eine verzerrte Einstellung zu Fehlern in Deutschland. So stehen die Deutschen allgemein dem Scheitern zwar relativ positiv gegenüber: Rund 80 Prozent der Befragten deuten Misserfolge im Leben grundsätzlich eher als potenzielle Quelle zur Selbstreflexion und Weiterentwicklung. Allerdings haben etwa 12 Prozent der Befragten gerade was das Scheitern im Job anbelangt ein überwiegend negatives Bild von Fehlern.
Das Scheitern hat also in vielen Unternehmen, wenn auch nur unterschwellig, immer noch einen bitteren Beigeschmack. Die Folgen daraus ergeben sich recht schnell: In einem Umfeld, in dem Arbeitnehmer*innen von Kolleg*innen und Vorgesetzten durch fehlende positive Fehlerkultur psychisch unter Druck gesetzt werden, bloß keine Fehler zu machen, schreibt sich dieser Zustand auf Dauer in das Unterbewusstsein ein.
Doch der Umgang mit Fehlern wird sogar noch früher beeinflusst: Auch in den Schulen wird eine eher negativ konnotierte Fehlerkultur sichtbar. Das beginnt schon bei Kindern, die eine 3 als schlechte Note definieren und hört bei Eltern auf, die ihren Kindern alles abverlangen – natürlich immer unter der Prämisse, dass die Kleinen auf keinen Fall fehlerbehaftet sein dürfen. Fehler und das Fehler-Machen sind zum Tabu geworden.
Aus Fehlern nicht lernen – Die Folgen
Die Folgen, wenn wir aus unseren Fehlern nicht lernen, haben sehr unterschiedliche Auswirkungen: Von eher milden Zweifeln oder Schamgefühlen bis hin zu gravierenden Störungen, kann alles dabei sein.
- Die Persönlichkeit kann sich nicht richtig entwickeln
- Wir vermeiden schwierige Situationen aus Angst vor den Konsequenzen
- Selbstzweifel nagen an unserem Selbstwertgefühl
- Minderwertigkeitsgefühle stellen sich ein
- Depressionen und weitere psychische Erkrankungen können entstehen
Oftmals merken wir selbst gar nicht oder erst zu spät, dass wir unser gesamtes Umfeld mit Fehlervermeidungsstrategien oder den daraus entstehenden negativen Gefühlen beeinflussen. Kinder beispielsweise spüren so etwas intuitiv und gelangen dann selbst auf die Spur der Fehlervermeidung. Wie also können wir den negativen Umgang mit unseren Fehlern vermeiden und tatsächlich aus ihnen lernen?
Lerne aus deinen Fehlern – mit der passenden Strategie
Die Grundlage dafür, dass wir aus unseren Fehlern auch lernen ist zunächst, dass wir diese als Fehler überhaupt anerkennen und diese dann als Chance nutzen können. Susanne Narciss, Professorin für die Psychologie des Lehrens und Lernens an der TU Dresden stellt das ganz zentral. Erst dann können wir einen Fehler auch wirklich nachhaltig überwinden, so die Expertin2. Dazu ist auch wichtig, dass wir zunächst verstehen, was Fehler und damit negative Erfahrungen mit uns machen.
Negative Erfahrungen haben Einfluss auf uns
Jeder ist schon einmal gescheitert. Egal ob das im Privaten oder im Berufsalltag ist. Diese Erfahrungen gehen nicht ohne Spuren an uns vorbei. Natürlich stellt sich erstmal ein Gefühl der Enttäuschung, vielleicht sogar Wut ein. Doch Scheitern und damit negative Erfahrungen machen noch viel mehr mit uns: Die Sozialpsychologie hat in mehreren Studien und Untersuchungen herausgefunden, dass wir Menschen auf negative Momente deutlich stärker reagieren als auf positive. Diese Erlebnisse beeinflussen uns
- körperlich
- kognitiv
- emotional.
Sie kennen das sicher selbst: Über Fehler denken wir viel länger nach als über den letzten positiven Moment. Grundsätzlich besteht also in jedem von uns das Potenzial aus unseren Fehlern zu lernen. Wie wir dann aber damit umgehen, das steht auf einem anderen Blatt.
Hierbei steht das eigene Ego zentral, so die Expert*innen. Das eigene Selbstwertgefühl bestimmt, wie wir mit Fehler-Feedback umgehen. Untersuchungen der University of Chicago haben ergeben3, dass viele Menschen nach einem negativen Feedback einfach abschalten. Dadurch stockt die Verarbeitung im Gehirn und die Probanden erhalten ein schlechtes Gefühl, das sie verdrängen. Wir benötigen also Strategien, um unser Ego, also unseren Gesamtwert, von den einzelnen Fehlern zu trennen.
Über Fehler sprechen
Um aus Fehlern zu lernen, hilft es, darüber zu sprechen. Denn nur wenn wir uns bewusst machen, dass jeder Mensch fehlerbehaftet ist, kann das Tabu gebrochen werden. Das kann in der Familie sein, aber auch im Unternehmen. Immer mehr Start-ups und große Firmen in den USA laden beispielsweise zu sogenannten „fuck-up-nights“ ein. Das sind Veranstaltungen, bei denen erfolgreiche Unternehmer*innen ihre gemachten Fehler offenlegen – dafür werden sie von den Teilnehmenden gefeiert. Dabei entsteht für die Zuhörenden auch die Möglichkeit, aus den Fehlern anderer zu lernen.
Sie können damit bereits in der Familie starten. Eine offene Fehlerkultur, in der kleine und große Missgeschicke, scheinbar fehlerhafte Charakterzüge oder generell negative Erlebnisse durchgesprochen werden, fördert die Enttabuisierung von Fehlern. Vielleicht merken Sie dann sogar, dass jemand in Ihrem Umfeld den gleichen Fehler schonmal gemacht hat. Schlussendlich lernen alle Beteiligten aus ihren Fehlern und ganz nebenbei wird die eigene Resilienz gefördert.
Fehler in allen Bereichen anerkennen und daraus lernen
Egal ob in der Familie, der Schule oder am Arbeitsplatz. Wer aus Fehlern lernen möchte, der muss ihnen erstmal Raum geben, sodass sie gemacht werden können. Dafür müssen wir in unserer Gesellschaft Fehler und das Fehler-machen zulassen. Einige Unternehmen vertreten heute schon die Grundhaltung, dass Fehler gemacht werden dürfen. In Kindergärten und Schulen sollte den Kindern viel mehr Freiraum gelassen werden, um Fehler zu machen.
Statt einer negativen Wertung des Fehlers, könnte auch so an die Sache herangegangen werden:
- Gemeinsame Problemlösung: Lehrende übergehen Fehler nicht einfach, indem sie Lösungen verraten, sondern erarbeiten das Problem mit der ganzen Klasse
- Denken umdrehen: Wer auf mehren Lösungswegen gescheitert ist, weiß immerhin, wie es nicht geht.
- Positive Fehleranalysen integrieren: Warum konnte der Fehler entstehen? Welche Fähigkeiten oder welches Wissen hat gefehlt?
Richtig angewandt, stellt sich bei diesen Faktoren in der Fehleranalyse möglicherweise ein positives Erlebnis ein – schon sind wir daran gewachsen und haben aus einem Fehler gelernt.
Sich selbst lieben lernen
Ein weiterer wichtiger Aspekt in unserer negativ behafteten Fehlerkultur sind die eigenen „Fehler“ der individuellen Persönlichkeit. Doch was heißt das eigentlich, wenn jemand „zu laut“, „zu ungestüm“, „zu aufdringlich“ etc. ist? Wir sind durch die Gesellschaft in bestimmte Muster eingebettet. Immer wieder haben wir als Kinder mit auf den Weg bekommen, so oder so sein zu müssen. In vielen Fällen sorgt das dafür, dass einzelne Facetten ihrer Persönlichkeit unterdrücken, da die nicht in das gesellschaftliche Raster fallen. Wir haben schlichtweg Angst davor, gesellschaftlich nicht anerkannt zu werden.
Wie können Sie aus diesen Mustern herauskommen? Zunächst einmal sollten Sie sich darauf konzentrieren, was Sie gut können. Dadurch verändern Sie schrittweise den Blick auf sich selbst. Sich mit sich selbst auseinander zu setzen bedarf einiger Stärke und „Hilfsmittel“. Dabei helfen können beispielsweise:
- Sportarten oder Praktiken wie Yoga oder Waldbaden, die den Körper und das Empfinden in den Vordergrund rücken.
- Zeit für sich selbst: Egal ob beim Spaziergang oder bei der Meditation, wichtig ist, dass Sie sich Zeit nehmen sich mit sich auseinander zu setzen.
- Kreativ werden: Tagebuch schreiben oder Malen und Zeichnen bringen uns ebenfalls dazu, uns selbst zu reflektieren.
Diese Trendwende, die persönlichen Fehler anzuerkennen und in etwas Positives umzukehren, kann in den letzten Jahren vermehrt in den Sozialen Medien beobachtet werden. Influencer*innen gehen offen mit Problemen und Fehlern um, und haben damit Einfluss auf das gesellschaftliche Bild. Aber Achtung, auch der Wunsch aus Fehlern zu lernen, kann ebenfalls zu Stress führen. Die richtige Balance zu finden, das ist wie immer im Leben essenziell.
Aus Fehlern lernen und sich neu aufstellen
Immer mehr Menschen, die sich mit den Fehlern in der Vergangenheit auseinandersetzen, schlagen einen vollkommen neuen Weg ein. Vielleicht kommen ja auch Sie zur Erkenntnis, dass Sie etwas grundlegend ändern müssen. Wie wäre es, wenn Sie diese Erkenntnis professionell an Ihre Mitmenschen weitergeben könnten?
Bei campus naturalis haben Sie die Möglichkeit, die Fehlerkultur ins Positive zu verändern. Beispielsweise mit unserer Ausbildung im Bereich systemische Beratung können Sie Klient*innen dabei helfen, ihre persönlichen sozialen Gefüge zu erkennen und aus gemachten Fehlern zu lernen. Mit unserer Ausbildung zur Kursleiter*in in Achtsamkeit und Meditation können Sie Menschen dabei unterstützen, wieder mit sich selbst in einen Dialog zu treten. Mit abgeschlossener Ausbildung zur Mentaltrainer*in sorgen Sie dafür, dass Ihre Mitmenschen ein bewusstes und positives Leben führen können.
Ein Fehler (machen) kann auch die größte Stärke sein
Wir sollten also alle grundsätzlich erstmal in der Lage sein, Fehler zu machen. Denn nur das bewusste negative Erlebnis danach, kann in uns eine Veränderung anstoßen. Lassen wir also das Kind auf die heiße Herdplatte fassen. Es verbrennt sich zwar die Finger, aber merkt sich diese Erfahrung und lernt daraus. Ähnlich kann es mit allen weiteren Fehlern im Leben gehen: Wenn wir sie machen, haben wir die Möglichkeit durch Selbstreflexion damit umzugehen und sogar daran zu wachsen.
In unserer Gesellschaft wird in den letzten Jahren immer wieder eine positive Fehlerkultur eingefordert mit mehr oder weniger großem Erfolg. Doch jeder von uns kann seinen Teil dazu beitragen, diese zu festigen und auszuweiten. Ganz gleich, ob es um unsere persönlichen kleinen oder größeren Fehler oder die beruflichen Misserfolge geht; wer diese anerkennt und bereit ist, aus seinen Fehlern zu lernen, kommt damit ein ganzes Stück weiter, um mit sich und seinem Umfeld ins Reine zu kommen.
Quelle1: neue-unternehmerkultur.de
Quelle2+3: apotheken-umschau.de