Wo sind freie Therapieplätze? Die Wartezeit auf einen Psychotherapieplatz dehnt sich aus

Betroffene und Angehörige, die dringend psychologische Unterstützung benötigen, stehen in den letzten Jahren immer wieder vor demselben Problem: Die Wartezeiten auf einen Platz in einer stationären oder ambulanten psychotherapeutischen Einrichtung oder beim dem/der Psycholog*in scheint sich immer weiter auszudehnen. Bekamen Betroffene vor ein paar Jahren noch innerhalb von wenigen Wochen ein Erstgespräch für eine Psychotherapie-Behandlung, dehnen sich die Wartezeiten heute bis auf neun Monate aus. Woran liegt das? Wie können Sie die Wartezeit auf einen Psychotherapieplatz überbrücken? Und wie sieht so ein Erstgespräch überhaupt aus? Wir geben Ihnen in diesem Ratgeber die Antworten.
Bis zu neun Monate Wartezeit auf einen Psychotherapieplatz
Psychische Erkrankungen sind in der Gesellschaft heute nicht mehr das Tabuthema schlechthin. Immer mehr Patient*innen trauen sich, Hilfe zu holen. Doch dabei rennen Sie viel zu oft die Türen von überquellenden Wartezimmern ein.
Laut der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV)1 leiden in Deutschland etwa 43 Prozent aller Erwachsener mindestens einmal in ihrem Leben die Diagnose psychische Erkrankung. Die Corona-Pandemie hat die Situation, so die Expert*innen, noch weiter verschärft – nicht nur bei den Erwachsenen, sondern auch bei Kindern und Jugendlichen.
Diese neue Welle an Patient*innen, die dringend Hilfe benötigen, stellt Psychotherapeut*innen vor große Herausforderungen. Die Folge: Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz oder ein Erstgespräch verlängern sich drastisch.
- Auf ein Erstgespräch warten Patient*innen heute teilweise mehr als fünf Wochen.
- Auf einen Behandlungsplatz warten Betroffene heute zwischen drei und neun Monaten; im bundesweiten Schnitt 19,9 Wochen (beinahe fünf Monate)
Je nach Bundesland variieren die Wartezeiten auf eine psychotherapeutische Behandlung. So warten Betroffene in Nordrhein-Westfahlen am längsten (durchschnittlich 23,1 Wochen). Unter 16 Wochen liegen die Wartezeiten in Berlin, Hessen und Baden-Württemberg – auch für Akutbehandlungen.

Lange Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz
Was bedeuten lange Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz für Betroffene?
Mit der Wartezeit steigt das Risiko für die Betroffenen, noch tiefer in ihre Erkrankung hineinzugeraten. Die Folge: Betroffene hören ganz auf, einen freien Platz zu suchen und geben sich ihrer Krankheit hin. Ein Zustand, der laut Bundespsychotherapeutenkammer unbedingt vermieden werden muss. Nicht nur für die Patient*innen, die kürzeren Wartezeiten auf einen Therapieplatz in der Psychotherapie benötigen, sondern auch für die Psychotherapeut*innen.
Forderung nach mehr Kassensitzen
Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK)2 verortet das Problem nicht an einem Mangel an ausgebildeten Psychotherapeut*innen – immer mehr Menschen möchten Psychotherapeut*in werden und absolvieren beispielsweise eine Ausbildung zum/zur Heilpraktiker*in für Psychotherapie. Vielmehr mangele es an Psychotherapeut*innen mit Kassensitz, die ihre Leistungen mit den Krankenkassen abrechnen könnten.
Diese Kassensitze werden wiederum in einer Bedarfsplanung im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), dem höchsten Gremium in unserem Gesundheitswesen, festgelegt. Hier wird entschieden, welche Leistungen von den Krankenkassen übernommen werden und welche Bedarfe vorliegen. Kritiker*innen werfen der Bedarfsplanung eine unzureichende Basis vor, daher ergäben sich die aktuell langen Wartezeiten.

Mangel an Psychotherapeut*innen mit Kassensitz zur Abrechnung der Leistungen
So können Betroffene die Wartezeiten für einen Psychotherapieplatz überbrücken
Psychotherapeut*innen raten Betroffenen, bei der Suche nach einem Therapieplatz am besten mehrere Wege parallel einzuschlagen:
- Die erste Anlaufstelle ist die Vermittlung der Kassenärztlichen Vereinigung unter der Nummer 116 117 oder eine der zahlreichen Beratungsstellen in Ihrer Nähe
- Eigenrecherche im Umfeld Ihres Wohnortes zahlt sich aus – nicht nur online, sondern auch offline im Telefonbuch beispielsweise. Ein Verzeichnis von Heilpraktikerin für Psychotherapie und/oder Psychotherapeut*innen in Ihrer Nähe finden Sie auf der Therapie-Webseite oder bei der Psychotherapeutenvereinigung. (viele Psychotherapeut*innen führen derzeit lange Wartelisten.)
- Auf der Therapeuten-Homepage können Sie auch gezielt nach therapeutischer Hilfe in Ihrer Nähe suchen, hier werden auch die vertiefenden Spezialgebiete der Therapeuten und Therapeutinnen genannt.
- Direkte Hilfe und möglicherweise sogar praktische Tipps finden Sie bei Selbsthilfegruppen oder Gruppentherapien in Ihrer Nähe. Ein Verzeichnis finden Sie bei gruppenplatz.de.
Wenn Sie selbst betroffen sind oder ein/eine Bekannte*r oder Familienmitglied betroffen ist, dann bieten Sie am besten Hilfe an oder suchen Sie sich jemanden, der Sie dabei unterstützen kann. So kann die nervenzehrende Suche etwas abgemildert werden. Nutzen Sie alle Möglichkeiten, um eine möglichst kurze Wartezeit auf einen Psychotherapieplatz zu erhalten.
Wie läuft so ein Psychotherapiegespräch eigentlich ab?
Vielleicht haben Sie es ja schon geschafft, einen Psychotherapieplatz ohne allzu große Wartezeit zu finden, trauen sich aber irgendwie nicht dorthin zu gehen. Die Angst im Alltag und trotz Therapie zu scheitern, ist einfach zu groß? Dann möchten wir Ihnen jetzt die Angst vor der Therapie etwas nehmen. Wie läuft so eine Therapie eigentlich ab?

Wie verläuft ein Psychotherapiegespräch?
Psychotherapiegespräch – Wie verläuft das Erstgespräch?
In einem Erstgespräch lernen Sie Ihren oder Ihre Psychotherapeut*in erst einmal kennen – dieses Erstgespräch müssen Psychotherapeut*innen seit 2017 anbieten. Das Gespräch ist wichtig, um herauszufinden, ob ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden kann und die „Chemie“ stimmt. Scheuen Sie sich nicht davor, mehrere Erstgespräche bei verschiedenen Expert*innen zu vereinbaren. Erstgespräche dauern in der Regel etwa 20 Minuten. Überlegen Sie sich am besten vorab ein paar Fragen, die für Sie wichtig sind. Das kann dabei helfen festzustellen, ob Sie sich mit dem Gegenüber wohlfühlen. Sie sollten sich vorstellen können, über einen gewissen Zeitraum regelmäßig in die Therapie zu diesem Therapeuten, dieser Therapeutin zu gehen.
Das Psychotherapiegespräch – Wie verlaufen die ersten Sitzungen?
Wenn Sie die Wartezeit auf einen Psychotherapieplatz überwunden haben und auch das Erstgespräch positiv verlaufen ist, dann werden die ersten probatorischen Sitzungen angesetzt. Das sind bis zu fünf erste Sitzungen, bei denen die Therapeut*in Sie und Ihre Erkrankung näher kennenlernt. Am Ende dieser Sitzungen wird in der Regel eine erste Diagnose gestellt. Sollte noch weiterer, langfristiger Therapie-Bedarf bestehen, werden danach weitere Termine vereinbart und an Ihrem Problem gearbeitet.
Der genaue Ablauf einer Therapiesitzung ist je nach Therapeut*in und Ihrem Therapiebedarf unterschiedlich. Wenn Sie beispielsweise eine/einen Therapeut*in mit einer Ausbildung im Bereich systemische Beratung aufsuchen, wird diese/dieser mehr auf Sie als Person innerhalb Ihres täglichen Umfelds eingehen. Der Ablauf hängt auch von Ihrer jeweiligen Erkrankung ab.
Das Wichtigste ist: Sie müssen sich wohl fühlen. Stellen Sie Fragen und äußern Sie im Zweifelsfall auch Ihre Wünsche und Erwartungen ganz explizit. Denn wenn Sie es schon einmal geschafft haben, die Wartezeit auf einen Psychotherapieplatz hinter sich zu bringen, dann sollte die Therapie schlussendlich Ihnen helfen und Sie persönlich weiterbringen.
Quelle1: wdr.de und springer.com
Quelle2: wdr.de