Wege aus der Verbitterung: Die Verbitterungsstörung unter der Lupe

Immer mehr Menschen sind heute unzufrieden mit ihrem Leben. Wenn wir negative Gefühle vor allem gegen uns selbst zulassen, dann droht die Gefahr zu verbittern. Wir fühlen uns hilflos gegenüber der Situation und kommen von selbst nicht mehr aus dieser Verbitterung heraus. Dieses Phänomen nennt sich Verbitterungsstörung. Wir fassen zusammen, was diese Art der psychischen Erkrankung ist, welche Ursachen sie haben kann und welche Wege es aus der Verbitterung gibt.
Ist die Verbitterungsstörung ein neues Gesellschaftsproblem?
Jeder kennt diese Situationen im Leben: Wir fühlen uns unwohl in unserer Haut, unserem Job oder der Familie. Es scheint so, als gäbe es nur noch düstere Momente, die uns psychisch auffressen. Wir hadern mit uns selbst. Wenn dann noch Kritik von außen dazu kommt, dann rutschen wir immer weiter ab in die Negativ-Spirale aus Selbstzweifeln, Niedergeschlagenheit bis hin zu Wut.
Sie kennen diese Gefühle? Dann sind Sie damit nicht alleine. Rund 6 Prozent der Menschen in Deutschland sind nicht sehr oder überhaupt nicht zu frieden mit ihrem Leben, so eine Befragung der Europäischen Kommission1. Das ist auf den ersten Blick nicht viel, allerdings kann es durchaus weitreichende Folgen für Einzelne und schlussendlich die Gesellschaft haben. Denn Menschen, die unzufrieden sind, sehen sich wiederholt mit ihrer Unzufriedenheit konfrontiert. Sie fallen immer wieder durch das Raster des „Normalen“ und fühlen sich dadurch weiter an den Rand gedrängt. Dauerhafte Enttäuschung und damit einhergehende Kränkungen drücken auf die Psyche und führen im schlimmsten Fall zu Verbitterung bis hin zur psychologisch definierten Verbitterungsstörung.
Was ist die Verbitterungsstörung?
Die posttraumatische Verbitterungsstörung (PTED) geht in der Regel auf Ereignisse wie Kränkungen und negative Erfahrungen wie Herabwürdigungen oder Vertrauensbrüche zurück. Menschen, die unter dieser Erkrankung leiden, können mit Rückschlägen nicht gut umgehen. Negative Erfahrungen bleiben lange im Gedächtnis hängen und drehen ihre Kreise, ohne dass ein Ausweg gefunden wird.
Menschen, die unter einer Verbitterungsstörung leiden, sehen sich selbst als hilflose Opfer, die aus eigener Kraft nicht ihr Schicksal bestimmen können und immer wieder ungerecht behandelt werden. Damit einher gehen psychische Symptome der Verbitterungsstörung wie:
- Verzweiflung
- Wut
- Aggression
Auch körperliche Symptome und Beschwerden der Verbitterungsstörung sind bekannt. Dazu gehören vor allem Schlafstörungen, Appetitverlust und sogar Schmerzen.

Verbitterungsstörung tritt im beruflichen sowie im privaten Umfeld auf
Folgen der Verbitterung
Die Folgen der Verbitterungsstörung sind letztendlich ein Rückzug aus der Gesellschaft, die totale Abkapselung vom Umfeld mit sozialer Vereinsamung, Depressionen bis hin zu suizidalen Gedanken. Die Verbitterungsstörung tritt im beruflichen sowie im privaten Umfeld auf und kann in allen Altersklassen zuschlagen.
Welche Auslöser gibt es für die posttraumatische Verbitterungsstörung?
Die Ursachen für eine Verbitterungsstörung sind sehr vielfältig und individuell. Sie kann beispielsweise entstehen, wenn Betroffene beruflich viel investieren, allerdings immer wieder scheinbar minderqualifizierte Kolleg*innen die Beförderung erhalten. Auch aufgrund eines Unfalls oder einer schweren Erkrankung kann eine Verbitterung entstehen.
In einigen Fällen liegt die Ursache einer Verbitterungsstörung bereits in der Kindheit: Menschen, die nie gelernt haben, mit Kritik umzugehen und Probleme zu verarbeiten, können schneller verbittern. Manche Betroffenen neigen dazu, im Alter dann eine Verbitterungsstörung zu entwickeln, da sie immer unzufriedener werden.
Zentral steht dabei immer ein subjektives Empfinden, ungerecht behandelt worden zu sein. Der oder die Betroffene hat das Gefühl, aus eigenem Antrieb nicht aus dieser Ungerechtigkeit herauszukommen. Die Verbitterungsstörung manifestiert sich dann als lebensfeindliches Gefühl2.
Die Verbitterungsstörung ist nicht eindimensional
Der Schweizer Prof. Dr. Hansjörg Znoj hat an der Universität Bern mit seinem Team in diagnostisches Instrument entwickelt, mit dem die Verbitterungsstörung und ihre Varianten sichtbar gemacht werden: Das Berner Verbitterungsinventar. Darin sind vier Verbitterungsdimensionen festgehalten:
- Leistungsbezogene Verbitterungsdimension
- Emotionale Verbitterungsdimension
- Pessimismus/Hoffnungslosigkeit
- Menschenverachtung
Sie verbinden sich miteinander und formen einen gemeinsamen „State of Mind“, die Verbitterungsstörung. Je nach Auslöser und Betroffenem können die Dimensionen unterschiedlich stark ausgeprägt oder vorhanden sein3. Die Kombination der jeweiligen Dimensionen definiert die Symptome und Wirkungen. Besonders für die Therapie ist die Einordnung in die Dimensionen der Verbitterungsstörung hilfreich.

Verbitterungsstörung – eine individuell angepasste Therapie ist notwendig
Behandlungsformen der Verbitterungsstörung
Aufgrund der individuellen Entstehungsgeschichten und Ursachen der Verbitterungsstörung ist eine individuell angepasste Therapie notwendig. Die Behandlung lehnt sich oft an die psychologische Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung an. Sie kann auch stationär in einer Klinik erfolgen. Es kann beispielsweise eine systemische Therapieform gewählt werden, bei der das Individuum innerhalb seiner sozialen Gefüge betrachtet wird. Wichtig ist, dass Betroffene einer Verbitterungsstörung schon recht früh behandelt werden. Je länger die Krankheit andauert, desto schwieriger wird es, sie zu überwinden. Sie kennen jemanden, der unter Verbitterung leidet? Dann sprechen Sie frühzeitig mit ihm oder ihr und bieten Sie Hilfe an.
Selbst helfen
Verbitterungsstörungen sind eine Belastung für Betroffene und die Gesellschaft. Wenn Sie etwas dagegen unternehmen und Menschen auf ihrem Heilungsweg begleiten möchten, dann haben Sie unterschiedliche Möglichkeiten. Bei campus naturalis können Sie beispielsweise eine Ausbildung im Bereich der systemischen Beratung absolvieren. Dabei lernen Sie, wie Menschen in ihren jeweiligen Gefügen agieren. Damit beugen Sie negativen Gefühlen vor und bringen Menschen bei, mit Kritik und Problemen umzugehen.
Fazit: Verbitterung nicht auf die leichte Schulter nehmen
Menschen, die aufgrund von anhaltenden negativen Gefühlen immer mehr verbittern, benötigen Hilfe, da sich sonst eine gravierende Verbitterungsstörung entwickeln kann. Besonders in unserer leistungsgetriebenen Gesellschaft ist es daher wichtig, dass wir von Kindesbeinen an lernen, mit negativen Gefühlen und Erfahrungen richtig umzugehen. Sollte es dennoch zu Verbitterungsstörungen kommen, dann sollten Sie diesen Personen rechtzeitig Hilfe anbieten. Mit einer passenden Psychotherapie können Betroffene lernen, mit dieser Erkrankung umzugehen, sie zu lindern und wieder ein glücklicherer Mensch zu werden.
Quelle1: statista.com
Quelle2: neurologen-und-psychiater-im-netz.org
Quelle3: carelink.ch