Soziale und Gesundheitsberufe mit Zukunft? Eine Analyse
Eines ist uns allen in den letzten Monaten bewusst geworden: Das Gesundheitssystem und die damit verbundenen sozialen und Gesundheitsberufe sind für uns alle enorm wichtig – und das nicht nur in unsicheren Zeiten, sondern ganz besonders im Hinblick auf die Zukunft. Bereits vor der Corona-Pandemie war klar: Diese systemrelevante Branche leidet. Nicht nur der Fachkräftemangel in der Pflege oder in sozialpädagogischen Berufen wurde schon vielerorts thematisiert, sondern auch die Arbeitsbedingungen von Alten- und Krankenpfleger*innen, die gestiegene Nachfrage nach Therapeut*innen und Heilpraktiker*innen und das Thema Gehalt waren bereits präsent.
Wie sieht also die Zukunft von Sozial- und Gesundheitsberufen aus? Welche Herausforderungen stehen dem ganzheitlichen Gesundheitssektor aufgrund der Digitalisierung bevor? Was wird sich verändern oder werden sie überhaupt noch gebraucht? Welche Möglichkeiten gibt es für junge Menschen oder Quereinsteiger*innen, die diese Berufe ergreifen möchten, eigentlich?
Den Status Quo nachhaltig verbessern
Die Zukunft der Gesundheits- und Sozialberufe in Deutschland soll neu geordnet werden, so das Bundesministerium für Gesundheit. Dabei geht es vor allem darum, den jetzigen Ist-Zustand langfristig zu verbessern und für künftige Herausforderungen zu stärken. Das ist das erklärte Ziel des „Gesamtkonzeptes Gesundheitsberufe“, das Jens Spahn und seine Länderkolleg*innen Anfang 2020 ins Leben gerufen haben.
Vor allem eine Modernisierung des Berufsgesetzes soll neue Möglichkeiten eröffnen, um soziale und gesundheitliche Berufe in Deutschland wieder attraktiver zu machen. Ein Thema, das viel Diskussionsbedarf hat. Denn nicht nur die klassischen medizinischen Berufe sollen damit gestärkt werden. Auch Diätassistent*innen, Masseur*innen und Physiotherapeut*innen zählen zu den Fokusberufen dieses neuen Weges1. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Medizin sich ebenfalls grundlegend ändert und auch politisch die Bereitschaft besteht, das anzuerkennen.
Die Digitalisierung als größte Herausforderung
Neben dem altbekannten Mangel an passenden Fachkräften und Berufsinteressierten ist die Digitalisierung, so das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, eine der großen Baustellen im Arbeitsfeld der Gesundheitsberufe und der Sozialarbeit. Soziale Berufe und Gesundheitsberufe mit Zukunft werden um neue Digitalisierungsansätze im medizinischen und therapeutischen Bereich nicht herumkommen. Ganz im Gegenteil werden gerade diese Berufe aufgrund ihrer sowieso schon vorhandenen Flexibilität langfristig von der Digitalisierung des Gesundheitssektors profitieren.
In der IAB-Stellungnahme zur „Digitalisierung in der Arbeitswelt: Bisherige Veränderungen und Folgen für Arbeitsmarkt, Ausbildung und Qualifizierung“ stellen die Autor*innen fest, dass durch digitale Prozesse und Innovationen vor allem Strukturverschiebungen zu erwarten sind. Und das nicht nur innerhalb von Branchen, sondern vor allem über Berufsgrenzen hinweg. Vor diesem Hintergrund, so die Autor*innen, sollten Aus- und Weiterbildungen schon jetzt auf diese digitalen Herausforderungen eingehen. Empfehlungen sind unter anderem:
- Organisierte Technologiezentren als zentrale Orte der Wissensvermittlung
- Neue Verfahren zur Ermittlung von spezifischen Kompetenzprofilen in Berufen, Branchen und Regionen
- Verzahnung von Technologieentwicklern, Forschung und Akteuren aus den Berufsfeldern2
Doch was heißt das konkret für soziale und Gesundheitsberufe mit Zukunft?
Auswirkungen der Digitalisierung unterstreichen den Bedarf an Gesundheits- und Sozialberufen
Der digitale Wandel in der Arbeitswelt bringt nicht nur Aspekte wie Stellenabbau oder die komplette Technisierung ganzer Arbeitsbereiche mit sich. Berufe mit Zukunft im sozialen Bereich oder dem Gesundheitswesen sind gefragter denn je und werden es auch in den nächsten Jahren sein. Stichworte wie die vielgenannte Work-Life-Balance oder die Nachfrage nach Mitteln und Wegen zur Stressbewältigung und Burnout-Prävention deuten an, welche Herausforderungen Arbeitnehmer*innen im neuen, digitalen Alltag haben. Und ganz nebenbei unterstreichen sie die Wichtigkeit von sozialen und gesundheitlichen Berufen, denn diese helfen Berufstätigen dabei mit der sich verändernden Situation Schritt zu halten.
Welche Gesundheitsberufe gibt es zukünftig?
Doch nicht nur für andere Berufsgruppen sind soziale und Gesundheitsberufe mit Zukunft elementar. Besonders innerhalb der unterschiedlichen Felder des Gesundheit- und Sozialbereiches wird es ganz neue Berufssparten geben. Während vieles noch reine Spekulation ist, deuten sich bereits jetzt einige neue Berufsfelder an:
Gesundheitsdaten-Analyst: Diagnosen digital unterstützt
Nicht nur die klassische Medizin greift heute bereits auf die Daten, die Patient*innen zum Teil von sich selbst mit sogenannten Wearables (Smart Watches und Co.) sammeln, zurück. In Zukunft wird diese Praxis wohl noch deutlich ausgebaut, um ein möglichst vollständiges Gesamtbild der Gesundheit des Einzelnen zu erzeugen. Heilpraktiker*innen tun das übrigens bereits seit Jahrhunderten: Mit ganzheitlichen Analysen, die nicht nur einzelne Bereiche oder Probleme des Menschen gesondert betrachten, können schon heute bessere Diagnosen und Behandlungen erzielt werden. Gesundheitsdaten-Analyst*innen könnten künftig die gesammelten Daten bündeln, analysieren und dann zu datenbasierten Ergebnissen und daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen kommen3. So könnte oftmals auch rechtzeitiger präventiv eingegriffen werden.
Gamification-Spezialist: Spielerisch heilen
Gesundheit zum Spiel machen: Was heute bei Computerspielen schon längst Realität ist, könnte auch die sozialen und gesundheitlichen Berufe mit Zukunft beeinflussen. Gamification, auf Deutsch „Spielifikation“ ermöglicht es bereits heute per App verschiedene Aufgaben zu managen und zu erledigen. Auf die Gesundheits- und Sozialbranche übertragen könnten damit Gesundheitspläne geschaffen und umgesetzt werden. So kann beispielsweise für eine*n Schlaganfall-Patient*in ein Spiel entwickelt werden, bei dem er oder sie lernt, die Hände wieder zu benutzen. Der Clue: Das Spiel kann auf die ganz individuellen Interessen der Person angepasst werden – damit wird die Motivation gesteigert und der Heilungsprozess beschleunigt4.
VR-Therapien-Designer: Virtuelle Welten unterstützen Genesung
Schmerzen, Depressionen, Traumata – wo heute teilweise immer noch auf Medikamente zurückgegriffen werden muss, könnte in Zukunft die Virtuelle Realität (VR) bei der Behandlung unterstützen. Experten sehen großes Potenzial vor allem bei der Schmerztherapie. So können heute schon VR-Brillen eingesetzt werden, um:
- Stress abzubauen
- Schmerzen durch positive Eindrücke zu lindern
- Posttraumatische Belastungsstörungen oder Phobien zu behandeln
Psycholog*innen und VR-Designer*innen könnten bald flächendeckend gemeinsam Schmerzen lindern. An der Uniklinik Heidelberg setzen Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen bereits auf diese Technik: Verbandswechsel, Impfen, nach OPs – immer wieder werden VR-Brillen mit beruhigenden Bildern für Patient*innen genutzt. Die Ergebnisse sind überraschend. Michaela Wüsten, die Leiterin der Pflegestation der Heidelberger Chirurgie, berichtet: „Trotz Schmerzmittel leiden unsere Patienten oft unter massiven Schmerzen. Manche stuften nach dem virtuellen Ausflug ihren Schmerz auf der zehnstufigen Schmerzskala um drei Stufen herunter, das gibt es sonst nie.“5
Verknüpfung ist wichtig
Die Mischung macht’s – das könnte das Motto der Digitalisierung in der Gesundheitsbranche sein. Der derzeitige Stand und die neuen Möglichkeiten zeigen, dass durch geschicktes Kombinieren von unterschiedlichen Branchen, Aufgabenfeldern und Anwendungen etwas ganz Neues entstehen kann. Die enge Verknüpfung von on- und offline wird dafür sorgen, dass soziale und Gesundheitsberufe mit großen Zukunftspotenzial entstehen werden.
Und das ist vielleicht das Positivste, was wir für den Gesundheits- und sozialen Bereich aus der Corona-Pandemie mitnehmen können: Aus- und Weiterbildung kann digital und vernetzt funktionieren – sichtbar wird das vor allem an unterschiedlichen Online-Angeboten wie zum Beispiel der campus naturalis Online-Kurzweiterbildung Systemik für Einsteiger*innen oder auch den erfolgreich eingeführten digitalen Klassenzimmern, die flexible Ausbildungsmöglichkeiten – Präsenz- und von zu Hause oder am Arbeitsplatz – bieten So können auch Unentschlossene begeistert oder Jobs mit Zukunftspotenzial für Quereinsteiger interessanter werden, denn die Zugangsschwelle ist deutlich niedriger. Praxisnah, kreativ und digital – drei Aspekte, die Ausbildungen in Gesundheits- und Sozialberufen der Zukunft auf jeden Fall nachhaltig prägen werden.
Das Menschliche kann nicht ersetzt werden
Natürlich wird der Einzug der Digitalisierung in Soziale und Gesundheitsberufe mit Zukunft die menschliche Begegnung und auch den Menschen, der die richtigen Schlüsse aus den Daten zieht, nicht ersetzen können. Für viele, die in den Gesundheitsberufen tätig sind wie Pfleger*innen, Psychotherapeut*innen, Pädagog*innen und viel andere, wird es jedoch die Möglichkeit sein, neue arbeitserleichternde Wege zu gehen, um noch besser für die Klient*innen da zu sein. Denn das Zwischenmenschliche ist und wird auch in Zukunft eines der wichtigsten „Medikamente“ im Gesundheitssektor sein.
Quelle1: bundesgesundheitsministerium.de
Quelle2: doku.iab.de
Quelle3: https://www.praktischarzt.de/magazin/gesundheitsdaten-analyst/
Quelle4: medinside.ch
Quelle5: zeit.de